Abgeblitzt

Urkundenfälschung verurteilt – verletzte Nutzungsrechte ignoriert

Urkundenfälschung geahndet, allerdings „nur“ mit einem geringen Bußgeld. Das war das Ergebnis eines Prozesses vor dem Ber­liner Amtsgerichts Tiergarten. Die zwei Angeklagten hatten Filmmaterial eines Sat.1 Beitrages verhökert, ohne dafür die Nutzungsrechte zu besitzen. Ein Einzelfall, doch offenbar nicht unsymptomatisch für die Gepflogenheiten in der Branche.

Im Herbst 2003 wurde ein Münchener Kameramann Heinz G. beauftragt, einen Film­beitrag für Sat.1 über das Comeback einer Schauspielerin zu drehen. Zusammen mit dem verantwortlichen Redakteur Reiner B. ging es vor Ort auf einen Campingplatz bei München. Die Aufnahmen wurden gemacht und der Redakteur nahm die Filmkassetten nach dem Dreh direkt mit nach Berlin zum Schnitt, zur Fertigstellung. Der Beitrag wurde bald darauf in der Sendung „Blitz“ ausgestrahlt. Der Kameramann stellte das vereinbarte Honorar bei Sat.1 in Rechnung. Sämtliche Nutzungsrechte für seine Aufnahmen hat er ebenso wie die Protagonistin für ihre Interviews an den Sender abgetreten. So weit, so üblich in der Branche!

Monate später wurde der Kameramann darauf aufmerk­sam gemacht, dass selbiges Filmmaterial auch in einem Beitrag der Fernsehsendung „Brisant“ des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) verwendet worden sei. Ein eindeutiges Indiz dafür, das Auto des Filmers war im Hintergrund zu sehen. Neugierig geworden, fragte er bei Sat.1 nach, ob diese Aufnahmen an den MDR weitergegeben worden seien. Der stellvertretende Redaktionsleiter Kai Dose von „Blitz“ sah sich den Streifen der Konkurrenz an. Er sei sich aufgrund „identischer Bilder“ sicher gewesen, dass es sich tatsächlich um Material von Sat.1 handelte, so Dose vor Gericht. Als Autor des Beitrages in „Brisant“ sei ein Dan H., der als Freier auch für Sat.1 gearbeitet habe, genannt worden. Um Aufklärung ersucht, rechtfertigte sich H. gegen­über dem Sat.1- Redaktionsleiter mit einem Fax, welches den Versand des Filmmate­rials „zur uneingeschränkten Ver­wendung, frei von rechten Dritter“ an den MDR bestätigte. Als Absender der vermeintlichen Rechteabtretung war die Medienfirma des Kameramannes Heinz G. angegeben, darunter dessen Unterschrift. Doch Heinz G. bestritt, dieses Fax geschrieben zu haben. Daraufhin habe er den Vorgang an die Rechtsabteilung von Sat.1 übergeben, so Dose.

Die Fälschung sei offensichtlich gewesen. Das Fax habe keinen Briefkopf, obwohl die Firma seit acht Jahren bei sämt­lichem Schriftverkehr einen solchen verwende, sagte Heinz G. im Prozess. Die krakelige Unterschrift gleiche seiner nur wenig, wohl aber den Schriftzügen von Reiner B., mit dem er einige Fernsehbeiträge zusammen gemacht habe. Außerdem habe er als Kameramann gar keine Gelegenheit gehabt, an eine Kopie des Films zu gelangen, da er die Kassetten vor Ort abgedreht an den Redakteur Reiner B. übergeben hatte. Eine Verfahrenweise, die Kai Dose als „üblich“ bestätigte.

Die beiden Angeklagten B. und H. – sie arbeiten heute nicht mehr für Sat.1 – leugneten vor Gericht hartnäckig, was die Fälschung des Faxes betraf. Sie hätten vermitteln, dem Kameramann helfen wollen, sein Material nochmals unterzubringen. Deshalb habe Dan H. das ihm per Post zugesandte Paket mit den Aufnahmen angenommen. H. legte eine Honorarabrechnung des MDR von 1.023 Euro abzüglich Vorschuss von 150 Euro an Reiner B. vor. Dieser konnte sich plötzlich nicht mehr daran erinnern. Aber es werde wohl so gewesen sein und sicher habe er das Geld an Heinz G. weitergegeben, so Reiner B. Der Kameramann dagegen konnte glaubhaft machen, nichts davon gesehen zu haben. Er nannte außerdem die Schauspielerin des Films als weitere Zeugin für seine Aussagen. Er legte dem Gericht ein Schriftstück vor, in dem sie dies bereits bestätigte.

Dem Gericht genügte das. Es schlug den beiden Angeklagten vor, das Verfahren wegen „der Geringfügigkeit des entstandenen Schadens“ gegen die Zahlung eines Bußgeldes von je 500 Euro „vorläufig einzustellen“. Damit erklärten sich die Angeklagten schnell einverstanden. Eingeständnis der Lügengeschichten? Nun ja, die Wahrheit hätten beide nicht erzählt, bestätigte die Staatsanwältin nach der Urteilsverkündung. Ein längerer aufwändiger Prozess hätte jedoch auch kein anderes Ergebnis gebracht.

Für Heinz G. war dieses „milde Urteil“ eine bittere Enttäuschung. „Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun“, sagte er. Drei Mal musste er vergeblich nach Berlin kommen, bis der Prozess endlich stattfand. Von Sat.1 habe er auch aufgrund dieses Vorfalls keine Aufträge mehr erhalten, ist sich Heinz G. sicher. Die Tat – ­Urkundenfälschung – hatte er angezeigt. Erwartet habe er, das Sat.1. auch gegen den Materialklau und die Verletzung der Nutzungsrechte gerichtlich vorgehe. Sat.1 reagierte auf den Vorfall mit der fristlosen Kündigung des zuständigen Redakteurs und auch der freie Kollege erhält keine Aufträge mehr vom Sender, wurde auf Nachfrage bestätigt. Darin sah man offenbar Strafe genug.

Weitere aktuelle Beiträge

Österreichs Rechte greift den ORF an

Eines muss man Herbert Kickl lassen – einen Hang zu griffigen Formulierungen hat er: „Die Systemparteien und die Systemmedien gehören zusammen, das ist wie bei siamesischen Zwillingen,“ sagte der FPÖ-Spitzenkandidat auf einer Wahlkampfveranstaltung im September. „Die einen, die Politiker, lügen wie gedruckt, und die anderen drucken die Lügen. Das ist die Arbeitsteilung in diesem System“. Seinen Zuhörenden legte Kickl mit seinen Worten vor allem eins nahe: Die rechte FPÖ könne dieses dubiose System zu Fall bringen oder zumindest von schädlichen Einflüssen befreien.
mehr »

Die Entstehung des ÖRR in Deutschland

Im Jahr 1945 strahlten die deutschen Radiosender Programme der Militärregierungen aus. Zum Beispiel Norddeutschland. Dort hatte der nationalsozialistische Reichssender Hamburg am 3. Mai seine Tätigkeit eingestellt. Nur wenige Stunden später besetzten britische Soldaten das Funkhaus und schon am 4. Mai erklang eine neue Ansage: „This is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government.”
mehr »

KI sitzt am Redaktionstisch

Erst vor wenigen Jahren hat ein Großteil der Menschen überhaupt erfahren, was Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis bedeutet. Genauer gesagt: Viele Menschen haben mit ChatGPT einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Maschinen Texte formulieren, Prüfungsaufgaben in Sekundenbruchteilen lösen oder umfangreiche Artikel in wenigen Sekunden auf wesentliche Inhalte zusammenfassen. Auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zieht die generative KI seitdem ein.
mehr »

Klimajournalismus im Aufwind

Noch immer wird zu wenig über den Klimawandel und seine Folgen informiert. Daran tragen auch Medien eine Mitschuld. Das Netzwerk Klimajournalismus will  Klima-Wissen in die Redaktionen bringen und ermöglicht Austausch unter Journalist*innen und Medienschaffenden. Wir sprachen im M-Podcast mit Jürgen Döschner.
mehr »