RB-Personalrat gewinnt Prozess gegen Intendanten

Justitia am Portal Amtsgericht Berlin Neukölln. Foto: Hermann Haubrich

Der Personalrat von Radio Bremen (RB) hat einen Prozess gegen den eigenen Intendanten gewonnen: Das Bremer Oberwaltungsgericht hat jetzt entschieden, dass die Personalvertretung nicht nur für Festangestellte, sondern grundsätzlich auch für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig ist. Noch ist der Gerichtsbeschluss allerdings nicht rechtskräftig.

Arbeitnehmerähnliche Freie, auch feste Freie genannt, dürfen bei der kleinsten ARD-Anstalt schon seit Jahren den Personalrat (PR) mitwählen und auch selber dafür kandidieren. Doch wenn der PR dann im Amt ist, soll er sich nur noch um die Festangestellten kümmern. So verlangte es bisher die Leitung des Hauses. Denn ihrer Ansicht nach würde es die Rundfunkfreiheit beschneiden, wenn die Mitbestimmung auch auf feste Freie ausgeweitet würde.
2013 wollte der Personalrat diese Beschränkung nicht mehr mitmachen. Ermutigt durch einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts von Ende 2012, wonach der PR des Saarländischen Rundfunks bei der Einschränkung oder Beendigung von freien Mitarbeiterverhältnissen mitbestimmen darf, reklamierte der RB-Personalrat auch für sich das Recht auf Mitbestimmung bei festen Freien. Weil Intendant Jan Metzger diese Forderung zurückwies, klagte der Personalrat, vertreten durch seine Vorsitzende Gaby Schuylenburg, gegen die Anstaltsleitung.
Vor dem Verwaltungsgericht Bremen scheiterten die Personalvertreter zunächst. In zweiter Instanz, vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG), haben sie sich jetzt aber durchgesetzt.
M liegt der Beschluss mit dem Aktenzeichen 6 LP 103/14 vor. Demnach darf der PR grundsätzlich mitbestimmen, wenn gelegentliche freie Mitarbeiter in ein festeres, arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis überführt werden und wenn der Sender die „zeitlichen Rahmendaten der Dienstpläne (Beginn und Ende der Schichtzeiten; Pausenregelung)“ festlegt.
Wie bereits der Personalrat in seiner Klagebegründung argumentiert auch das OVG mit einem Paragraphen, den Bremens rot-grüne Koalition 2008 extra in das Radio-Bremen-Gesetz eingefügt hatte: „Als Bedienstete im Sinne des Bremischen Personalvertretungsgesetzes gelten auch die arbeitnehmerähnlichen Personen.“ Zu deutsch: Normalerweise fallen nur Festangestellte unter die Mitbestimmungsregeln des Personalvertretungsgesetzes, aber bei RB gilt das auch für Arbeitnehmerähnliche.
Alles andere würde auch „zu einem nicht zu übersehenden legitimatorischen Missverhältnis führen“, meinen die Richter. Denn nach den jüngsten Zahlen beschäftige der Sender 210 Festangestellte und 195 Arbeitnehmerähnliche. Wenn der Personalrat zwar von allen gewählt würde, „aber für einen erheblichen Teil der Wähler mitbestimmungsrechtlich nicht zuständig“ wäre, dann würden Legitimation und Kompetenz auseinanderklaffen. „Dies wäre geeignet, die Wirksamkeit der Interessenvertretung zu beeinträchtigen“, schreiben die Richter in ihrer Entscheidung.
Die Mitbestimmung bei den personellen und sozialen Angelegenheiten von festen Freien verstößt laut OVG auch nicht gegen die Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes. Dazu gehöre „das Recht der Rundfunkanstalten, frei von fremdem Einfluss über Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter zu bestimmen, die an Hörfunk- und Fernsehsendungen inhaltlich gestaltend mitwirken“. Diesen Vorgaben trage das 2008 erweiterte RB-Gesetz bereits Rechnung, indem es die Mitbestimmungsrechte nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz teilweise einschränke. So dürfe der PR nicht bei personellen Angelegenheiten leitender Angestellter mitentscheiden. Bei den anderen Beschäftigten habe der Intendant in bestimmten Fällen ein Letztentscheidungsrecht, nämlich dann, wenn eine Entscheidung „für die Erfüllung der Aufgaben der Rundfunkanstalt von Bedeutung“ sei. Diese Einschränkung gelte für Festangestellte genauso wie für feste Freie und schaffe einen Ausgleich zwischen Rundfunkfreiheit und Mitbestimmungsrecht.
Eine mögliche Beschwerde gegen seine Entscheidung lässt das OVG nicht zu. Der Sender kann aber beim Bundesverwaltungsgericht eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen. Hat er damit Erfolg, müssten sich die Leipziger Richter auch inhaltlich mit dem Fall befassen und in letzter Instanz darüber urteilen.
Nach Auskunft von RB-Pressesprecher Michael Glöckner will die Anstalt den OVG-Beschluss „zunächst intensiv prüfen und dann über die Einlegung des Rechtsmittels entscheiden.“

Inzwischen hat Radio Bremen tatsächlich eine Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht, wie Glöckner auf Nachfrage mitteilte. (Nachtrag 1. April 2016)

Weitere aktuelle Beiträge

ARD-Nachrichtentag: Mehr Transparenz

Nachrichten sind das Herz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie sollen gut recherchiert und aufbereitet sein, sollen verständlich Ereignisse vermitteln und einordnen. Beim ARD-Nachrichtentag am 5. Juni gab es einen offenen Einblick, wie das eigentlich geschieht. Teilnehmende bekommen Einblicke in den journalistischen Alltag und erfahren den Wert unabhängiger Nachrichten in Hörfunk, Fernsehen und Social Media.
mehr »

Altersversorgung für Filmschaffende

Zusammen mit der Schauspielgewerkschaft BFFS und dem Tarifpartner Produktionsallianz hat ver.di einen Tarifvertrag für eine branchenweite betriebliche Altersversorgung für Filmschaffende in Film- und Serienproduktionen abgeschlossen. Für die etwa 25.000 auf Projektdauer beschäftigten Film- und Fernsehschaffenden vor und hinter der Kamera wird die neue tarifliche Altersvorsorge ab Juli 2025 starten.
mehr »

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Content, Streaming und Transformation

Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
mehr »