Schon entdeckt? Colourful Voices

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Engagierte Medien abseits des Mainstreams gibt es zunehmend mehr. Sie sind hochinteressant, aber oft wenig bekannt. Deshalb stellt M in jeder gedruckten Ausgabe und auf M Online einige davon vor.

Parisa und Mohammad berichten über die aktuelle Lage in Afghanistan, dem Land, aus dem sie flüchteten. Sie arbeiten in der NewcomerNews-Redaktion des Freien Radios Wüste Welle in Tübingen, das zur transkulturellen Medienplattform Colourful Voices gehört. Auf der Website werden Beiträge von zur Zeit zwölf Radioredaktionen veröffentlicht. Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte machen dort gemeinsam Radio – „auf Augenhöhe, denn Integration bedeutet nicht Assimilation“, sagt Projektleiter Chris Wohlwill.

Als 2015/16 viele Menschen aus dem globalen Süden nach Deutschland kamen, bildeten Freie Radios transkulturelle Redaktionen. Diese berichteten aus den Ländern der Geflüchteten, informierten sie über das Leben in Deutschland und wollten mit ihren Produktionen auch Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft erreichen, erzählt Wohlwill im Gespräch mit M und betont: „Die Beiträge sind sehr vielfältig, es gibt keine zentrale Redaktion und das ist auch so gewollt.“ Alle verbindet ein kritischer Blick auf rassistische Strukturen. Aufgegriffen werden Themen vor Ort – wie etwa in Burg (Sachsen-Anhalt), wo Erstklässler*innen bei der Einschulung in Klassen mit deutschen und nicht-deutschen Kindern aufgeteilt wurden. Im Interview äußert sich der Vater eines betroffenen Mädchens – auf Deutsch, Arabisch und Kurdisch. Der Beitrag stammt aus der mehrsprachigen Sendung „Common Voices“, die beim Freien Radio Corax in Halle von Geflüchteten und Migrant*innen gestaltet wird. Außer den Radios sind weitere Initiativen auf der Plattform vertreten, wie der Verein Diversity Media mit der (Not) Okay-Redaktion – einem „Anti-Stigma-Podcast“, wo sich alles um die Psyche dreht.

Um die weitere Vernetzung der Medienplattform Colourful Voices zu professionalisieren, wurde das netzwerk medien.vielfalt! gegründet, das die Bundesmigrationsbeauftragte seit Anfang 2020 fördert. Es bietet Fortbildungen zu Moderation, Stimmtraining oder journalistischem Schreiben an, aber auch Uploadworkshops für die gemeinsame Plattform und Fundraising. Letztes Jahr gab es etwa 30 Workshops und Schulungen, heißt es aus dem Koordinationskreis. Die meisten Medienmacher*innen arbeiten ehrenamtlich, bezahlt werden nur die Koordinationsaufgaben. In jeder Redaktion gibt es dafür eine 450-Euro-Stelle.

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Website über 11.000 Aufrufe. Als antirassistisches Magazin startete Colourful Voices 2020 auf Instagram, Telegram und Facebook und hatte nach sechs Monaten bereits 6.000 Follower. Auf das größte Interesse stieß ein Post zum Jahrestag des Anschlags in Hanau mit 150.000 Views. Obwohl die eigentliche Zielgruppe BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) seien, „scheinen unsere Inhalte auch für andere interessant zu sein“, meint Azin aus dem Colourful Voices-Team und vermutet, dass die Hälfte der Follower weiße Menschen sind.

 

 

 

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