Wir sind voll dabei!

Klaus Schrage, Vorsitzender der dju-Tarifkommission
Foto: Jan-Timo Schaube

Ganz klar: Schön ist das alles nicht. Im Zeichen der Corona-Krise haben wir mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) einen Tarifvertrag ohne Tariferhöhungen, aber zur Beschäftigungssicherung abgeschlossen. Damit diese aber tatsächlich zentrales Anliegen der Vereinbarung wird, braucht die dju in ver.di, brauchen vor allem die Betriebsräte in den Verlagen Wachsamkeit, Kreativität und eine gute Vernetzung.

Es tut uns allen weh, dass es gemäß der Vereinbarung im Jahr 2020 keine Tariferhöhung geben wird. Der Journalist*innen-Beruf verdient eine Aufwertung und keine Nullrunde. Wäre es aber nach den BDZV-Verhandlern gegangen, wäre ohne großes Vertun per freiwilliger Betriebsvereinbarung noch viel tiefer in die Taschen der Zeitungsjournalist*innen gegriffen worden. Am liebsten hätten sie Urlaubs- und Weihnachtsgeld in 2020 komplett gestrichen. Wobei es hätte genügen sollen, dass die Notlage eines Medienhauses behauptet worden wäre.

Überprüfung der tatsächlichen Situation durch von den Betriebsräten beauftragte Wirtschaftsprüfer? Bringt nichts, weil diese je nach Auftraggeber einseitig urteilen. Zustimmungsvorbehalt der Gewerkschaften? Ist abzulehnen, weil es viel zu lang dauert, bis deren Apparate ins Laufen kommen.

Wir sind solchen Verleger-Parolen mit Argumenten begegnet. Und haben Erfolge erzielt. So konnten wir eine gemeinsame Empfehlung erreichen, dass Kolleg*innen, die durch Kurzarbeit bereits Einkommensverluste erlitten haben, kein zweites Mal geschröpft werden sollen. Auch wird empfohlen, dass bei Festangestellten kein Urlaubsanspruch gekürzt wird, falls die Arbeitswoche durch Kurzarbeit auf weniger als fünf Arbeitstage verkürzt wurde. Ein beachtlicher Erfolg ist auch, dass es für freie Journalisten*innen eine Corona-Hilfe in Form eines durchschnittlichen Monats-Honorars gibt.

Es kommt nun sehr auf die Betriebsräte an. Sie sollten sich nicht von den Arbeitgebern zu einem schnellen Abschluss hetzen lassen, denn sie haben das Recht, behauptete Notlagen der Verlage zu überprüfen. Sie können den Rat von Sachverständigen und von unserer Gewerkschaft einholen. Sie können über eine Beschäftigungssicherung über den allgemeinen Stichtag 31. Juni 2021 hinaus verhandeln.

“Sie trauen Ihren Betriebsräten nichts zu”, bekamen wir in den Verhandlungen von BDZV-Seite immer wieder zu hören. Ach tatsächlich? Unser Verhandlungsteam bestand aus einem hauptamtlichen Kollegen und drei Betriebsratsmitgliedern. Beim Deutschen Journalisten-Verband war dieses Verhältnis umgekehrt. Bei den beiden BDZV-Vertretern gingen Wissen und Verständnis für die Arbeitssituation in den Medienhäusern erkennbar gegen Null.

Schließlich: Mit dem Abschluss des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung haben wir die für die dju in ver.di noch offenen Tarifverträge nachgezeichnet. Auch das ist ein Erfolg. Nicht, weil wir den schlechten Abschluss von 2018 plötzlich gut fänden. Sondern weil die dju als glaubwürdige Gegenmacht zu verlegerischen Sparphantasien dringend gebraucht wird.

Wir sind voll dabei. Und das ist gut so!

Weitere aktuelle Beiträge

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »

Rechtsextreme im Fernsehen

Durch meine Eltern habe ich Anstand und Respekt beigebracht bekommen. Daher missfällt es mir, Menschen nicht anzuhören, nur weil sie eine andere oder unliebsame Meinung vertreten. Das geht mir auch so bei der Frage, ob man Politikerinnen und Politiker der rechtsextremen AfD in TV-Talkshows einladen sollte. Ein grundsätzliches „Nein“ behagt mir nicht. Ein offenes „Ja“ kommt mir allerdings auch nicht über die Lippen, angesichts der AfD-Auftritte gerade im Vorfeld der jüngsten Bundestagswahl. Was also tun?
mehr »

Hartes Brot: Freie im Journalismus

Freie Journalist*innen oder Redakteur*innen haben es häufig nicht leicht: Sie werden oft schlecht bezahlt, nicht auf Augenhöhe behandelt, Mails und Anrufe werden zuweilen ignoriert, sie warten auf Rückmeldungen zu Themenangeboten, Redaktionen sind in manchen Fällen für sie nicht zu erreichen. So geht es vielen Freien, egal, welches Medium.
mehr »