Zeit Online: Haustarifvertrag wird scharf geschaltet

Beschäftigte von Zeit Online in der "kämpferischen Mittagspause". Foto: Christian von Polentz/transitfoto.de

Bis zum April 2016 arbeiteten alle etwa 140 Beschäftigten der Berliner Online-Redaktion des Hamburger Zeit-Verlages tariflos. Es galten nur die gesetzlichen Leitplanken und Betriebsvereinbarungen, die der Betriebsrat zuvor ausgehandelt hatte. Inzwischen ist das anders. Der von ver.di, dem DJV und dem Journalistenverband Berlin-Brandenburg mit der Geschäftsführung vereinbarte Tarifvertrag für Zeit Online wird Ende Juni endgültig unterzeichnet. Er führt die Redakteur_innen und Angestellten an das Niveau der Flächentarifverträge heran. Studentische Mitarbeiter_innen sind mit einem deutlichen Plus ihrer Stundensätze in den Tarifvertrag integriert.

Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke bezeichnete die Einigung bereits als „überzeugenden Erfolg gewerkschaftlichen Engagements und tarifpolitischer Gestaltungsmacht“. Betriebsratsvorsitzende Tina Groll, die für ver.di auch der Tarifkommission von Zeit Online angehört, spricht nach langwierigen Verhandlungen von einem „guten Anfang“.

Die Mutter kann sich nicht raushalten

Was steckt dahinter? Gleiche Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen, wie sie ihren Kolleginnen und Kollegen im Stammhaus des Zeit-Verlages zugestanden werden, verlangten die hauptstädtischen Beschäftigten von Zeit Online seit langem. Die Berliner wollten nicht die schlechter gestellten Hamburger sein. Doch allein mit dem Betriebsrat war das nicht durchzusetzen. Die Gewerkschaften waren gefragt. Die Beschäftigten von Zeit Online organisierten sich, etwa zwei Drittel wurden seit dem Sommer 2015 Mitglied bei ver.di. Die gewerkschaftliche Tarifkommission formulierte Manteltarif- und Gehaltsforderungen. Verhandlungen begannen im November. „Die Geschäftsführung hat ins Feld geführt und belegt, dass sich ein digitales Produkt wie Zeit Online noch nicht nachhaltig selbst trägt und damit keine Gewinne gemacht werden“, so ver.di-Verhandlungsführer Jörg Reichel. Beschäftigte und Gewerkschaften hätten aber dagegen gehalten, dass es auch in der jetzigen Transformationsphase Querfinanzierungen gibt, sich Erlöse und Kosten aus verschiednen Quellen speisen. Perspektivisch werden Online- und Printbereich immer enger miteinander verflochten. Die Online-Tochter sei also nicht ohne die Zeit-Mutter zu sehen. Und die innovativ arbeitenden Online-Beschäftigten eines wirtschaftlich florierenden Medienhauses dürften 20 Jahre nach Unternehmensgründung in Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht grundsätzlich schlechter gestellt werden.

Stufenplan mit Ziel Flächentarif

Allerdings sei man in der Argumentation „mitgegangen, dass Zeit Online Übergangsfristen und Anpassung“ brauche, so Reichel. In fünf Monaten Verhandlung sah es nicht immer nach einer Annäherung aus. Die Beschäftigten setzten mit einer kreativen Mittagspause „Z-Offline“ Zeichen und drohten mit Warnstreiks. Dazu musste es nicht kommen. Es wurden schließlich folgende Eckpunkte vereinbart:

Die Manteltarifregelungen für Redakteure und Angestellte in Zeitschriftenverlagen treten bei Zeit Online zum 1. Mai rückwirkend in Kraft. Zum 1. Januar 2017 werden für Redakteur_innen und Angestellte die Gehaltstabellen auf dem Stand von April 2016 übernommen. Zum 1. Februar 2018 ist die hundertprozentige Angleichung der Gehaltstabelle vorgesehen. Vom 1. Juli 2018 an gelten dann für Redakteurinnen und Redakteure ab dem zehnten Berufsjahr 100 Prozent des Tarifgehalts. Die Berufsjahre sind analog zum Hamburger Stammhaus anerkannt. Im Januar kommenden Jahres werden Redakteurinnen und Redakteure ab dem dritten Jahr Betriebszugehörigkeit auch stufenweise in die Presseversorgung einbezogen. Eine pauschalierte Abgeltung von Urheberrechtsansprüchen tritt zum 1. Januar 2019 in Kraft.

Künftig wird für Angestellte und Redaktionsmitglieder ab zwei Jahren Betriebszugehörigkeit eine in Stufen steigende Jahressonderleistung (13. Monatsgehalt) gezahlt. Redakteurinnen und Redakteuren bekommen außerdem zwei freie Wochenenden im Monat tariflich zugesichert. Sonn- und Feiertagszuschläge werden gemäß Flächentarifvertrag gezahlt.

Für die etwa 45 studentischen Mitarbeiter, die bei Zeit Online bis zu 20 Wochenstunden qualifizierte Tätigkeiten im Korrektorat, in den Bereichen Community, SEO und Newsdesk leisten, gilt laut Tarifvertrag ab Januar 2017 ein Stundensatz von 12,50 Euro. Das sind 1,21 Euro – über zehn Prozent – mehr als momentan. Eine weitere wesentliche Verbesserung: Die Studenten müssen nicht mehr grundsätzlich nach zwei Jahren gehen. Auf diesen Zeitraum waren ihre Verträge bisher maximal befristet. Die dreimalige Befristung nach dem Gesetz ist nun auf bis zu fünf Jahre geöffnet. Das schafft den studentischen Mitarbeiter_innen eine vernünftige Perspektive und entlastet Vollzeitbeschäftigte davon, ständig neue Student_innen einarbeiten zu müssen.

Pionierabschluss im Online-Bereich

Das Tarifergebnis bilde „zu etwa 90 Prozent die Flächentarifverträge für Zeitschriften-Verlage ab“ und enthalte zusätzliche betriebsspezifische Regelungen, schätzt ver.di den Erfolg ein. Verhandler Jörg Reichel ist „stolz“ auf das Erreichte. Er hofft auch, dass damit ein Vorreiter für weitere Tarifregelungen im Online-Medienbereich geschaffen ist.

Eine „Kröte“ habe man allerdings schlucken müssen: An der 40-Stunden-Woche für alle Vollzeitbeschäftigten von Zeit Online in Berlin konnte man bei diesen Verhandlungen nicht rütteln. Arbeitszeitverkürzung bleibe – wie auch die Zahlung von Urlaubsgeld – Sache neuerlicher Tarifverhandlungen. Der jetzt vereinbarte Haustarifvertrag kann zum 1. Dezember 2019 erstmals gekündigt werden.


Weiterlesen: Die Zeit-Online-Chefs Rainer Esser und Christian Röpke bewerten im Interview mit MEEDIA die Tarifeinigung

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Hartes Brot: Freie im Journalismus

Freie Journalist*innen oder Redakteur*innen haben es häufig nicht leicht: Sie werden oft schlecht bezahlt, nicht auf Augenhöhe behandelt, Mails und Anrufe werden zuweilen ignoriert, sie warten auf Rückmeldungen zu Themenangeboten, Redaktionen sind in manchen Fällen für sie nicht zu erreichen. So geht es vielen Freien, egal, welches Medium.
mehr »

Neues Tarifergebnis im Deutschlandradio 

Nach mehrmonatigen Tarifverhandlungen mit dem Deutschlandradio hat ver.di am Mittwochabend zusammen mit dem DJV ein Tarifergebnis erreicht: Acht Prozent mehr Geld, zusätzliche Einmalzahlungen und sozial gestaffelt höheres Urlaubsgeld. Das Ergebnis gilt für die etwa 1.400 sowohl angestellten als auch arbeitnehmerähnlichen, freien Medienschaffenden des in Köln und Berlin ansässigen deutschlandweiten öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders.
mehr »

Umgang mit KI in Film und Fernsehen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Schauspielgewerkschaft Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS) haben mit der Produktionsallianz Bedingungen zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz (KI) in Filmproduktionen vereinbart. Abgeschlossen sind damit auch die Tarifverhandlungen zur Anwendung von generativer KI. Zunächst waren Neuabschlüsse des Tarifvertrags Film- und Fernsehschaffende (FFS) sowie des Schauspieltarifvertrages erzielt worden, außerdem gab es eine tarifliche Einigung zur betrieblichen Altersversorgung und eine zu Nachwuchsfilmen im letzten Jahr.
mehr »

DW: Tarifergebnis angenommen

Die Mitglieder von ver.di haben mit hoher Beteiligung für die Annahme des Tarifergebnisses bei der Deutschen Welle gestimmt, das am 16. Januar 2025 erzielt wurde. Die Mehrheit der Abstimmenden befürwortete den Kompromiss der ver.di-Tarifkommission. Die Mitglieder forderten darüberhinaus, dass bei den nächsten Tarifverhandlungen 2026 eine einheitliche Tariferhöhung durch einen Festbetrag für alle Beschäftigten angestrebt wird.
mehr »