Gefährdet die EU das System der Rundfunkräte?

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, könnte die EU-Kommission im Zuge ihrer Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) das bewährte System der Rundfunkräte im öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Gefahr bringen. Denn der Richtlinien-Entwurf sieht vor, dass Regulierungsinstanzen eigenständige juristische Personen sein müssen, um so die Unabhängigkeit ihrer Kontrollfunktion zu gewährleisten. Die Rundfunkräte sind in Deutschland jedoch direkt bei den Sendern angesiedelt.

So heißt es wortwörtlich auf Seite 23 in Nummer 33 des Richtlinien-Entwurfs vom Mai 2016: „Die Regulierungsstellen der Mitgliedstaaten können den geforderten Grad der strukturellen Unabhängigkeit nur erreichen, wenn sie als separate juristische Personen eingerichtet werden.“ Diese Formulierung könnte aus Sicht von Axel Wintermeyer (CDU), Chef der hessischen Staatskanzlei, „das Ende der anstaltsinternen Gremienkontrolle“ sein, wie die SZ zitiert. Dabei sei der Gesetzestext wohl maßgeblich vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Polen und Ungarn und den dortigen Eingriffen in die Unabhängigkeit der Mediensysteme entstanden. Für Petra Kammerevert (SPD), Berichterstatterin zur Richtlinie im EU-Parlament und langjähriges Mitglied im WDR-Rundfunkrat, würden so jedoch keine Probleme gelöst. Denn die Regulierungsstellen in Ungarn und Polen seien bereits formal unabhängig von den Sendern, so Kammerevert gegenüber der SZ.

Inwiefern aus dem Richtlinien-Vorschlag nun wirklich Gefahr für die deutschen Rundfunkräte (inklusive des ZDF-Fernsehrats und des Deutschlandradio-Hörfunkrats) ausgeht, ist nicht ausgemacht. Bisher unbeantwortet ist die Frage, ob der Begriff der „Regulierungsstellen“ überhaupt die deutschen Rundfunkräte umfasst und, falls ja, ob ihre Einrichtung als eigenständige juristische Person nicht auch problemlos möglich wäre. Derzeit befindet sich der Entwurf der AVMD-Richtlinie in den Beratungen im EU-Parlament.

Zu den weiteren Regulierungsinhalten der überarbeiteten AVMD-Richtlinie siehe auch hier.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »