Am 18. September haben die Berlinerinnen und Berliner ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Nun steht die Koalitionsvereinbarung von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die medienpolitischen Schwerpunkte der künftigen Berliner Regierungskoalition für die kommenden fünf Jahre befinden sich in Kapitel 2 der Koalitionsvereinbarung und tragen das Motto „Medienstandort ausbauen – Demokratische Medienpolitik“. M wirft einen genaueren Blick auf die medienpolitischen Pläne, die zunächst gut klingen, es aber in sich haben.
Neben dem Bekenntnis zu einer freien, unabhängigen und vielfältigen Medienlandschaft beginnen die Koalitionäre in spe mit dem Vorhaben, mit den medienanbietenden und -produzierenden Institutionen einen Zukunftsdialog führen zu wollen. Dabei sollen auch Finanzierungsmöglichkeiten von Medien und Journalismus eine Rolle spielen.
Was das konkret bedeuten könnte, zeigt sich an einer anderen Stelle der Vereinbarung: Im Rahmen einer Novellierung des Medienstaatsvertrages mit dem Land Brandenburg sollen kommerzielle und nichtkommerzielle journalistische und andere Medienangebote wie Bürgermedien, lokale TV-Sender oder freie Radios besser gefördert werden können, etwa durch Stipendienprogramme. Voraussetzung ist, dass sie „hochwertigen journalistischen Standards gerecht werden“. Das ist sicherlich ein richtiger Weg, um mehr journalistische Vielfalt zu finanzieren. Stipendien allein werden jedoch nicht ausreichen, die massiven ökonomischen Schwierigkeiten aufzufangen, von denen der Journalismus in seiner Breite betroffen ist.
Schwieriges Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Einen umfangreichen Abschnitt widmen die zukünftigen Regierungsparteien dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Immerhin verantworten sie gemeinsam mit dem Land Brandenburg den RBB. Zwar bekennen sie sich zu einem möglichst langfristig stabilen Rundfunkbeitrag, halten aber gleichermaßen Strukturreformen bei Personal, Programmauftrag und Infrastruktur für nötig – „zur Erhöhung der Beitragsakzeptanz“.
Damit stoßen sie in das gleiche Horn wie die Länderchefs mit ihrer Anfang dieses Jahres eingerichteten Arbeitsgruppe „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunkanstalten“. Die AG hat die öffentlich-rechtlichen Sender bereits aufgefordert, Sparvorschläge zu entwickeln, mit denen die Anstalten künftig ihren Auftrag bei gleichbleibenden Einnahmen erfüllen können. Das bedeutet nichts anderes als deutliche Kostensenkungen, denn schon jetzt sind die Sender unterfinanziert. Hier hätte man sich ein eindeutigeres Signal der Koalition für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Beschäftigten gewünscht.
Dass zudem der Werbeanteil im Hörfunk gesenkt werden soll, ohne zu sagen, ob und wie entsprechende Einnahmeverluste auszugleichen sind, zeigt, dass die Koalition einen Arbeitsplatzabbau zumindest in Kauf nimmt. Denn was eine Werbereduzierung ohne finanziellen Ausgleich bedeutet, konnte man gerade erst bei der WDR mediagroup verfolgen.
RBB-Freienvertretung bleibt zahnlos
Mehr als halbherzig ist auch die Ankündigung, das RBB-Freienstatut zu evaluieren und gegebenenfalls Veränderungen „einzufordern“. Das ist richtig, aber zu wenig. Denn die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RBB werden nicht durch den Personalrat vertreten wie bei mehreren anderen öffentlich-rechtlichen Sendern, sondern durch eine Freienvertretung, die von der Intendantin geschaffen wird. Diese Regelung stieß bei ver.di von Anfang an auf Kritik, denn eine echte Interessenvertretung gibt es nur nach dem Personalvertretungsgesetz. Wie sich hier eine solche Koalition nicht zu mehr Beschäftigtenrechten durchringen konnte, ist jedenfalls bemerkenswert. Immerhin wird das Nachbarland Brandenburg, dessen Zustimmung es bräuchte, von SPD und Linken regiert. Wann, wenn nicht in einer solchen Konstellation, wäre also eine Reform möglich gewesen?
Öffentlich-rechtliche Lichtblicke
Immerhin: Die Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollen künftig als eigenständige dritte Säule neben TV und Radio gestärkt und die Löschpflicht für Onlineinhalte („7-Tage-Regelung“) abgeschafft werden. Damit würde etwas umgesetzt, was ver.di schon lange fordert. Außerdem sollen die Sender bei der Vergabe von Aufträgen dafür Sorge tragen, dass die Auftragnehmer geltende Sozialstandards einhalten und langfristig die Hälfte der Aufträge in Produktion, Regie und Drehbuch an Frauen vergeben werden. Auch dies findet die Unterstützung von ver.di.
Mehr soziale Standards in Produktionen
Eine entsprechende „Sozialklausel“ findet sich erfreulicherweise auch im Bereich Film wieder. So soll das Medienboard Berlin-Brandenburg, das mehr Mittel bekommt, nur noch Gelder für Film, TV und audiovisuelle Formate vergeben, wenn das Förderprojekt sozialverträglichen und ökologischen Standards gerecht wird. Das ist eine gute Aussicht für Filmschaffende, deren Arbeitsverhältnisse oft nur wenige Wochen andauern und die wenig abgesichert sind. Doch auch hier wird die Koalition erst noch beweisen müssen, welche Standards sie genau meint und wie sie deren Einhaltung überprüfen will.