Meinung
Diese ins Sarkastische überspitzte Frage drängt sich angesichts der neuesten Entscheidung der Mediengruppe Madsack auf. Denn Madsack hat gerade bekannt gegeben, die Redaktionen von Sächsischer Zeitung (SZ) und Leipziger Volkszeitung (LVZ) zusammenlegen zu wollen. 30 Stellen fallen dadurch bei der Sächsischen Zeitung weg. Und zugleich wird die redaktionelle Vielfalt verkleinert, denn die SZ übernimmt künftig Teile der nationalen und internationalen Berichterstattung vom Redaktionsnetzwerk Deutschland, kündigte der Verlag an.
Die Sächsische Zeitung und Leipziger Volkszeitung sollen außerdem eine Sachsen-Redaktion bilden. Geleitet werden soll die 170 Redakteure große Redaktion von zwei Führungskräften der LVZ und SZ. Das klingt nach Stärkung im Lokalen, da, wo journalistische Kompetenz gebraucht wird. In Sachsen hatte die AfD bei der Europawahl über 30 Prozent der Stimmen geholt. Besonders gut schnitten die Rechtspopulisten in Görlitz ab – 40 Prozent der Wählenden gaben der AfD ihre Stimme. Und ausgerechnet im Gebiet von Görlitz bis Döbeln soll nun die Berichterstattung stark eingedampft werden, teilte die Vorsitzende des Gruppenbetriebsrats der DDV Mediengruppe, Elke Schanz, mit.
Den Rechten in die Hände gespielt
Sie sagt auch, die Betriebsräte seien “erschrocken über die tiefen Einschnitte”. Denn laut Schanz sollen nun ein Drittel der Arbeitsplätze gestrichen werden, bis Jahresende. Und die Zahl der Lokalausgaben im besonders von der AfD dominierten Gebiet von 17 auf 11 schrumpfen. “Das passt aus unserer Sicht nicht zum versprochenen starken Lokaljournalismus. Wir sind besorgt wegen des großen Tempos”, sagt Schanz.
Es ist eine rabiate, rücksichtslos und auch gefährliche Fehlentscheidung, ausgerechnet an dieser Stelle zu sparen und ausgerechnet zu dieser Zeit. Es ist so, als würde Madsack bereits jetzt vor den Rechtspopulisten und Rechtsextremen kapitulieren. Ab 2025 dann – und zu Beginn des Bundestagswahljahr, das für die Demokratie in Deutschland zum Schicksalsjahr werden könnte – fällt also weg, was elementar für unsere Demokratie ist: Lokale Berichterstattung, Platz für kritische Öffentlichkeit, die so dringend benötigte vierte Macht als Kontrollinstanz, um die Balance der Kräfte in der freiheitlichen Demokratie überhaupt herstellen zu können.
Betriebsräte kündigen Widerstand an
Für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen wird zudem erheblicher auch existentieller Druck aufgebaut: Geplant ist laut den Betriebsräten nämlich, dass alle Mitarbeitenden der Redaktionen sich auf eine stark reduzierte Zahl von Stellen in einer bei der Leipziger Volkszeitung angesiedelten Gesellschaft neu bewerben sollen. “Wir sehen noch viele Fragen offen, auch in Bezug auf unsere Mitbestimmung. Darüber hinaus befürchten wir weitere Einschnitte für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verlag und den anderen Gesellschaften der DDV Mediengruppe. Wir Betriebsräte werden uns mit aller Kraft für unsere Kolleginnen und Kollegen einsetzen“, sagt Schanz.
Sorge um demokratische Meinungsbildung
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di kritisiert die Sparpläne. Denn gerade jetzt braucht es eine Stärkung des lokalen journalistischen Angebots, braucht es Stellenaufbau und publizistische Verantwortung. Gerade jetzt sind auch die Verlage gefragt, ihren demokratischen Auftrag zu erfüllen und eben nicht nach Profiten und Gewinnen allein zu streben. Es klingt schon fast nach Hohn, wenn Konzernchef Thomas Düffert davon spricht, dass man die Zeitungen in Sachsen “personell und strukturell bestens aufgestellt” sehe, um die Zeitungen “gemeinsam die wichtigste publizistische Stimme aus Ostdeutschland” werden zu lassen. Die Wahrheit ist: Die verbliebenen Titel sind im Grunde die einzigen publizistischen Stimmen – und der Kahlschlag könnte dazu führen, dass es bald gar keine mehr gibt und dann rechtsextreme und populistische TikTok-Kanäle und „alternative Medien“ den Resonanzraum der öffentlichen Meinung in Sachsen bilden könnten. Das darf nicht passieren.
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