EJF fordert: Mensch vor Maschine

#krassmedial Sommerakademie im August 2023 im ver.di-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg am Berliner Wannsee Foto: shutterstock

Der europäische „AI Act“ zur Regulierung künstlicher Intelligenz wird von den Institutionen der EU derzeit finalisiert. Das Gesetz solle den Menschen in den Mittelpunkt stellen und nicht das technisch Mögliche, fordern die Europäische Journalist*innenföderation (EJF) und 11 weitere Organisationen von Medien- und Kulturschaffenden in einem Brief an Europaparlament, Europäischen Rat und Europäische Kommission. Zuvor hatte die EJF ihre Position zum Thema KI bei einem Arbeitstreffen in Wien ausgearbeitet.

„Dieser Ansatz soll das Recht auf Nutzungskontrolle künstlerischer Werke während des maschinellen Lernprozesses anerkennen, sichern und durchsetzen. Um sicherzustellen, dass menschliche Kunst und Kreativität geschützt wird, muss der menschenzentrierte Ansatz auf den Grundsätzen der informierten Einwilligung, der Transparenz, der fairen Vergütung und der Vertragspraktiken beruhen,“ heißt es im Positionspapier.

Gesetzesentwurf bis Ende des Jahres

Parlament, Rat und Kommission beginnen derzeit die „Trilog-Phase“ zum europäischen KI-Gesetz, in der sie ihre Positionen untereinander abstimmen und den finalen Gesetzestext verhandeln. Bis Jahresende soll der Gesetzentwurf vorliegen.

AREG-Sprecher Mogens Bjerregaard Blicher mahnte eine bessere Vernetzung mit anderen Urheberverbänden an. Foto: Lars Hansen

Zu dem Treffen der europäischen Gewerkschafter*innen in Wien waren die fünf Facharbeitsgruppen – Arbeitnehmer*innenrechte, Freiberufler*innenrechte, Urheber*innenrecht, Rundfunkjournalist*innen sowie eine Gruppe zu Gender- und Diversitätsfragen — der EJF zusammengekommen, um sich zu informieren und einen gemeinsamen Standpunkt zu erarbeiten.

Dieses Sitzungsformat war eine Premiere, denn bislang haben die „Expert Groups“ nahezu ausnahmslos für sich gearbeitet und dem „Steering Committee“, dem geschäftsführenden Vorstand der EJF berichtet. Weil diese Arbeitsphase als überaus produktiv empfunden wurde, soll es in Zukunft zu entsprechenden Anlässen weitere solche Sitzungen geben.

Unterzeichner*innen

Den Brief an EU-Parlament und Kommission sowie den Europäischen Rat haben außerdem unterschrieben: Die Journalist*innenföderation (IJF), die Literaturübersetzer*innenvereinigung (CEATL), der Komponist*innenverband (ECSA), die Europäische Gilde zur Regulierung Künstlicher Intelligenz (EGAIR) , der Europäische Schriftsteller*innenrat (EWC), die Filmregisseur*innenvereinigung (FERA) , der Schauspieler*innenverband (FIA), die Musiker*innenvereinigung (FIM), der Europäische Verband der Drehbuchautor*innen  (FSE), die Internationale Künstler*innenorganisation (IAO), der Rundfunk- und Filmgewerkschaftsverband (UNI-MEI) und die Synchronsprecher*innengilde (UVA).

Die „Gender and Diversity Expert Group“ „GENDEG“ wies darauf hin, dass generative KI dazu neige, die in ihrem Quellmaterial vorhandene Vorurteile und Stereotypen nicht nur zu reproduzieren, sondern sogar zu verstärken. Für Frauenrechte sowie die ethnische und soziale Diversität in der Berichterstattung sei dies ein großes Problem.

„Wir müsen uns zusammenschließen.“

Die Authors Rights Expert Group „AREG“ brachte vor, dass ein Gesetz die Anbieter*innen generativer KI zwingen müsse offenzulegen, welche Texte sie zur Schulung ihrer Programme verwenden und die Urheber*innen dafür auch zu vergüten. „Wir müssen uns in dieser Hinsicht mit anderen Kreativen zusammenschließen und uns Beispiel an ihnen nehmen“, sagte AREG-Sprecher Mogens Bjerregaard Blicher. Zusätzlich zum Input aus den Expert Groups rundeten Vorträge von externen Expert*innen das Bild ab. Deniz Wagner von der OSZE warnte davor, eine strikte Verweigerungshaltung gegenüber dem Einsatz von KI einzunehmen. „Aufzuhalten ist die Nutzung von KI nicht mehr. Was mit der KI-Gesetzgebung der EU derzeit passiert, ist eine einmalige Chance, die Rahmenbedingungen für Entwicklung und den Einsatz einer neuen Technologie mitzugestalten“, sagte sie. „Diese Chance würde man sich vergeben, wenn man KI einfach nur ablehnt.“

Florian Matscheko vom Österreichischen Rundfunk (ORF) machte klar, dass man KI nicht so viel zutrauen dürfe, wie ihre Hersteller versprechen. „Wir nutzen KI beim ORF in mehrerlei Hinsicht“, sagte er. „Beispielsweise, um bei Wahlen große Datenmengen schnell übersichtlich darstellen zu können oder um aus Sprachen zu übersetzen, für die wir gerade keinen Übersetzer haben. Dennoch muss alles, was die KI tut von echten Journalisten überprüft und redigiert werden, sonst genügt sie unseren Ansprüchen nicht. Einerseits wäre die Fehlerquote zu hoch und anderseits müssen wir als Menschen noch die Fähigkeit bewahren diese Arbeit auch ohne KI zu erledigen. Geben wir diese Kompetenz ab, sind wir erledigt! Wir vermeiden es deshalb auch strikt, unsere KI zu vermenschlichen, indem wir dem Programm einen menschlichen Namen geben. Es benennt ja auch niemand seinen Schraubenzieher.“

Texte und Bilder in eigener Hand

Was beim ORF im Übrigen auch ein No-Go sei, wäre, die — von externen Firmen bereitgestellte — KI mit Material des Senders zu füttern. Ähnlich restriktiv, so hatten es die Teilnehmer schon am Vortag erfahren, geht auch die Österreichische Presseagentur APA mit ihren Texten und Bildern um.


Mehr zum Thema KI im Journalismus lesen sie im M-Magazin

und in unserer KI-Toolbox.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

NDR-Streik führt zu Konzertabsage

Im Tarifkonflikt mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu einem mehrtägigen Warnstreik aufgerufen. Die Auswirkungen der Arbeitsniederlegungen zeigen sich in Programmeinschnitte in Fernsehen und Radio und in der erzwungenen Absage des Konzerts der weltbekannten Dirigentin Joana Mallwitz. Mit dem Warnstreik setzen die Mitarbeiter*innen des NDR ein deutliches Zeichen gegen den vom NDR angebotenen Reallohnverlust in den derzeitigen Tarifverhandlungen.
mehr »

Wehrhaft gegen Einschüchterungen

Unternehmen oder ressourcenstarke Einzelpersonen, die unliebsame Stimmen mittels Abmahnungen bis hin zu langwierigen, teuren Prozessen einzuschüchtern und so eine kritische Öffentlichkeit für einen Sachverhalt zu verhindern suchen. Viele Journalist*innen, Forschende oder Umweltaktivist*innen kennen dieses Phänomen unter dem Begriff SLAPP. Eine neue Anlaufstelle in Berlin will für Betroffene Abhilfe schaffen.
mehr »

Cooler Content für Europäer*innen

Das europäische Content-Creator-Netzwerk ENTR erstellt seit Mai 2021 journalistischen Content zu länderübergreifenden Themen, die junge Menschen in Europa bewegen. Ihr Ziel ist es digital und analog eine offene, authentische und konstruktive Debatte über das gegenwärtige und zukünftige Leben in Europa anzuregen. Verschiedene Multimedia-Inhalte wurden zunächst täglich in sechs, inzwischen sogar in neun europäischen Sprachen erstellt. Ein Projekt, das vor der Europawahl besonders relevant ist.
mehr »

Neue Anlaufstelle: Erste Hilfe bei SLAPPs

Was tun, wenn man geslappt wird? Ab dem 16. Mai gibt es eine Anlaufstelle für SLAPP -Betroffene. SLAPPs sind unbegründete Einschüchterungsklagen oder missbräuchliche Gerichtsverfahren. Gegen die hat die EU eine Anti-SLAPP-Richtlinie verabschiedet. Binnen zwei Jahren müssen die Mitgliedsstaaten nun die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Hinter der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Anlaufstelle steht ein breites Bündnis; Ansprechpartner ist Philipp Wissing.
mehr »