Die Hängepartie um eine staatliche Presseförderung geht weiter. Führende Vertreter*innen der Ampel-Parteien sprachen sich auf der Jahrestagung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger am 26. September in Berlin dafür aus, die Verlage bei der Zeitungszustellung finanziell zu unterstützen. Auf Regierungsebene wird dieses im Koalitionsvertrag fest vereinbarte Vorhaben aber weiterhin blockiert.
„Es geht uns darum, Demokratie zu stärken“, sagte SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil in seiner Keynote auf dem BDZV-Kongress vor rund 250 Delegierten im Berliner Haus der Zukunft „Futurium“. „Wir werden daher in den Haushaltsverhandlungen darauf drängen, dass es zu einer Presseförderung kommt.“ Eskortiert wurde er von der Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Ricarda Lang. Wo intakte Medienstrukturen wegbrächen, steige das Potential populistischer Parteien, sagte sie. Nicht umsonst habe laut einer US-Studie Donald Trump in den Regionen den größten Wählerzuspruch erhalten, in denen die lokale Pressevielfalt verschwunden war. Sie bekannte sich zum Prüfauftrag einer Presseförderung, wie er im Koalitionsvertrag enthalten sei. „Wir wissen, dass wir an dieser Stelle, was die Zustellungsförderung angeht, auch liefern müssen als Ampel“, bekräftigte Lang unter dem Beifall der BDZV-Delegierten.
Demgegenüber hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuvor in einem per Videobotschaft eingespielten Grußwort zwar den auf den Pressehäusern lastenden Kostendruck anerkannt. Ohne die Zustellförderung explizit zu erwähnen ergänzte er: „Zugleich muss unser Land nach den Krisenjahren zur fiskalpolitischen Normalität zurückfinden.“ Ein klarer Fingerzeig auf den vom Bundesfinanzministerium verordneten Sparkurs
Unklare Presseförderung
Noch vor einem Jahr hatte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auf dem BDZV-Jahreskongress 2022 zum Versprechen der Ampel-Regierung bekannt, „die flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen zu gewährleisten.“ Ein vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragtes Gutachten hatte im Frühjahr 2023 die Zustellförderung für bestimmte Printmedien als wirtschaftlich sinnvoll und verfassungskonform anerkannt. Später ließ das von Robert Habeck geleitete Ministerium verlauten, man mache sich die Schlussfolgerungen der Studie nicht zu eigen und plane keine weiteren Schritte. Auch Staatsministerin Claudia Roth, die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, hat bislang keine Neigung gezeigt, sich des Ampel-Projekts anzunehmen.
Matthias Ditzen-Blanke, einer der drei geschäftsführenden BDZV-Vorstandsvorsitzenden, beklagte das Ausbleiben staatlicher Stützungsmaßnahmen. Seit Jahren von der Politik versprochen, sei die Zustellförderung – „eigentlich eine Transformationsförderung“ – ohne konkrete Umsetzung und Finanzierung geblieben: „Wir fordern vom Kanzler, sein Wort zu halten.“ Gleiches gelte für die seit langem geforderte Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Presseprodukte möglichst auf Null. In Anbetracht der gesellschaftlichen Bedeutung der Presse, so Ditzen-Blanke, handle es sich faktisch um eine „Besteuerung der Demokratie“.
Den gleichfalls lange schwelenden Streit um die aus Verlegersicht „presseähnlichen“ Online-Textangebote öffentlich-rechtlicher Anstalten befeuerte Stefan Hilscher, ebenfalls BDZV-Vorstandsvorsitzender. Diese von den beitragsfinanzierten Sendern angebotenen Gratisinhalte bedeuteten weiterhin eine massive Wettbewerbsverzerrung zuungunsten der privaten Verlage. Die Delegiertenversammlung habe daher die BDZV-Führung beauftragt, in dieser Frage erneute bei der EU-Kommission vorstellig zu werden. In Anwesenheit des ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke stellte Hilscher das Einreichen einer Beihilfebeschwerde in Aussicht, um die aus Verlegersicht „dramatische Gefährdung der Medienvielfalt“ durch den „völlig verzerrten Wettbewerb“ von Seiten der Öffentlich-Rechtlichen zu unterbinden.
Fortschritte bei Digitalisierung
BDZV-Hauptgeschäftsführerin Sigrun Albert verwies auf die Fortschritte der deutschen Zeitungshäuser bei der Digitalisierung. Mittlerweile werde das Publikum mit über 2.000 digitalen Angeboten versorgt. Albert forderte „Rahmenbedingungen, die es privatwirtschaftlich organisierten Medienunternehmen überhaupt möglich machen, wettbewerbsfähig im Internet Geschäfte zu betreiben“. Dazu gehörten etwa Datenschutzvorgaben, die nicht die großen Anbieter bevorteilten. Sie beklagte ein Kartellrecht, das einerseits „kaum noch den Zukauf von Kleinverlagen“ erlaube, während es andererseits „bei Big Tech überhaupt nicht vernünftig greift“. Auch plädierte Albert für eine gerechte Besteuerung internationaler Plattformen wie Google & Co. von deren „auf dem deutschen Markt erzielten Einnahmen kaum ein Cent an den deutschen Staat geht“. Mit den so gewonnenen Mitteln ließe sich auch die dringend gebotene Presseförderung finanzieren.