Lokalzeitungen: Gut, aber wenig kontrovers

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Die Lokalteile der Zeitungen sind thematisch vielfältiger und unabhängiger geworden. Sie bringen aber auch weiterhin „nicht allzu viele kontroverse Artikel“ und wenig Hintergrundberichterstattung. Mitunter sehr umfangreich, steche doch qualitativ kein Blatt besonders hervor. Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie „Die Leistungen des Lokaljournalismus“, die auf breiter empirischer Basis die zur Zeit aktuellste Bestandsaufnahme zur Qualität von Lokalzeitungen und ihren Online-Auftritten liefert.

Der 2017 verstorbene Journalismusprofessor Klaus Arnold und seine Mitarbeiterin Anna-Lena Wagner untersuchten im Juni 2015 mit ihrem Team an der Universität Trier Lokalteile von 103 Zeitungen und deren Online-Ausgaben. Sie unterschieden dabei zwischen Zeitungen, die in Metropolen, kleineren Städten oder in ländlichen Kommunen erscheinen und Boulevardblättern wie der Bild-Zeitung.

Dass die ambivalenten Befunde der Forscher_innen nach wie vor aktuell sind, zeigt ein Blick in die Lokalpresse. So berichtet eine Zeitung im Sauerland im September unter dem Titel „Bürger bangen um ihre Wasserversorgung“ über die geplante Erweiterung eines örtlichen Kalkwerks. Im Lokalteil finden sich neben diesem kritischen Beitrag aber auch Unfallmeldungen und ein Artikel, der eine Pressemitteilung wortwörtlich wiedergibt –inklusive Rechtschreibfehler.

Um die Leistungen des Lokaljournalismus für die „Selbstbeobachtung der Gesellschaft“ zu erforschen, haben die Trierer Forscher_innen fast 19.000 Artikel mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Sie entwickelten eigens Qualitätskriterien für die „Berichterstattung im Nahraum“. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Fragen nach der Aktualität und der Relevanz der Ereignisse, der Vielfalt von Themen, Genres und Akteur_innen und nach den Partizipationsmöglichkeiten der Leser_innen durch Redaktionskontakte, Onlinekommentare oder Leserbriefe.

In einem Interview antwortete Anna-Lena Wagner auf die Frage, welche Erkenntnis aus der Studie sie am meisten überrascht habe: „Wie umfangreich manche Lokalausgaben sind, damit hatten wir nicht gerechnet.“ Doch qualitativ stach keine der Zeitungen besonders heraus.

Weiterhin gibt es überall Qualitätsdefizite in der Lokalberichterstattung. So besteht trotz räumlicher Nähe zur Zielgruppe in Sachen Partizipation „Potential nach oben“, umschreibt die Studie Schwächen des Lokaljournalismus. Es gebe zwar Kontaktmöglichkeiten zur Redaktion, aber kaum „Publikumsinteraktionen“ in den Printausgaben – z. B. durch den  Abdruck von Leserfotos oder Votings. Auch in den Onlineablegern bestehe „Nachholbedarf“. So fehlen Kommentarfunktionen oder werden selten genutzt. Letzteres mag auch damit zu erklären sein, dass die Artikel „relativ unkritisch“, wenig kontrovers und hintergründig sind und tendenziell immer noch eine „heile Welt des Lokalen“ präsentieren. Das gilt auch für etwa 80 Prozent der Online-Beiträge, die aus den Print-Ausgaben übernommen werden. Da fast 20 Prozent der Artikel eigens fürs Internet verfasst sind, werten die Forscher_innen die Onlineorientierung als „überraschend hoch“.

Die meist gelesenen Zeitungsseiten

Qualitätsverbesserungen der Printausgaben werden bei Themenvielfalt und Unabhängigkeit festgestellt. Die „Fixierung auf Feste, Vereine und Unfälle“ sei aufgebrochen worden und die Namensnennung der Urheber_innen von Texten und Bildern weise auf einen „hohen Grad an Unabhängigkeit“ hin, wobei der inhaltliche „Werbeverdacht“ aber weiterhin auf mittlere Werte kommt. Werbeverdacht wird einem Beitrag über Waren, Dienstleistungen, Unternehmen, Geschäfte oder Gaststätten attestiert, der nur positiv darüber berichtet. Sehr gut schneiden die untersuchten Lokalzeitungen bei der Achtung von Persönlichkeitsrechten und Neutralität der Informationsgebung ab. Letzteres hängt damit zusammen, dass 86 Prozent der Artikel Meldungen und Berichte ohne Wertungen sind.

Beim Vergleich der Leistungen nach Zeitungstypen kommen die Lokalteile in den Metropolen auf die besten Qualitätswerte – sowohl Print als auch Online. Sie punkten nicht nur bei Themenvielfalt und Unabhängigkeit, sondern haben zudem ein breiteres Repertoire an Darstellungsformen und mehr kontroverse Beiträge zu relevanteren Themen als Provinzzeitungen, deren Stärke wiederum Servicebeiträge sind. Das erklären die Autor_innen der Studie mit der Ereignislage vor Ort. Die geringsten Qualitätswerte erzielen die lokalen Ausgaben der Boulevardzeitungen, die „ein deutlich anderes Profil“ haben, das geprägt wird durch grafisch ansprechend gestaltete und unterhaltsame Beiträge. Bei der Onlineorientierung liegen sie aber vor den Zeitungen in ländlichen Kommunen.

Fazit: Als weiterhin meist genutzter Zeitungsteil können Lokalseiten mit Informationen und Diskursen politische Teilhabe der Menschen vor Ort befördern. Die Lokalpresse berichtet zwar viel, aber noch nicht gut genug. Dass die Berichterstattung langsam besser wird, zeigt sich an einer weiteren Qualitätsanforderung, die laut Studie selten erfüllt wird: Glokalität, d. h. Herunterbrechen von globalen Themen auf die lokale Ebene. Die Sauerländer Lokalzeitung praktiziert das inzwischen. So berichtet sie in ihrer Freitagsausgabe auch über einen britischen Mitbürger, der seit vielen Jahren in der Stadt lebt und sich angesichts des bevorstehenden Brexits um die deutsche Staatsbürgerschaft bewirbt.

 

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