Editorial: Auch der Versuch ist strafbar

Auch der Versuch ist strafbar, das ist deutsches Recht. Trotzdem ist die alltägliche Versuchung groß – erst recht, wenn’s um Rendite oder Macht geht. Ab einer bestimmten Höhe fallen offenbar alle Schranken, gehen Bedenken und gesamtgesellschaftliche Interessen über Bord. Und die Ver-suche mehren sich …

So ist es etwa bei Schleichwerbung ( hier…) also dem Versuch, redaktionelle Inhalte und werbliche Botschaften zu vermischen oder mediale Kommunikation mittels PR zu steuern. Genau so manipulativ geht‘s in der Fotobranche mit digitaler Bildbearbeitung zu. Menschen werden „schöner“, Schwächen wegretuschiert, Details werden weg geschnitten oder hinzugefügt – die Aussage eines Fotos ändert sich. Dazu kommt, dass Fotos in andere Textzusammenhänge gestellt oder überhaupt verwendet werden, ohne den Urheber der Bilder zu fragen. Auf der Strecke bleibt bei alledem das authentische Foto als Zeitdokument. „Digitale Umweltverschmutzung“ nennt ein Fotograf diese Entwicklung. ( hier…)

Versuchte Einschüchterung und den Rückfall in Zeiten, da Pressefreiheit als Gnade der Obrigkeit gewährt wurde, leisten sich derzeit bestimmte Kreise von Politik und Staatsmacht – wie die jüngsten Ereignisse um Durchsuchungen in Redaktionen und Privaträumen von Redakteuren zeigen. Erst öffentlicher und medialer Druck lässt die gewählten „Wächter“ des Volkes, das Parlament, handeln, damit die Wächterrolle der Presse nicht weiter ausgehebelt werden kann. ( hier…)

Auch Gewinnsucht führt in Versuchung, wie die Computerdatenbanken zeigen, die sich ebenso wie das Internet insgesamt, so schnell etablierten, dass Gesetzgeber und Rechtewächter nicht nach kommen. Texte werden verkauft, ohne die Urheber an den Erlösen angemessen zu beteiligen ( hier…).

Ähnlich sieht‘s bei den medialen Billigjobbern aus, die dazu degradiert werden, weil nicht genügend ordentlich bezahlte Arbeitsplätze geschaffen wurden. Da ist die Versuchung groß, Kreativität – und zwar mit staatlicher Zustimmung – zu entwerten ( hier…).

Selbst ums Badische macht die Versuchung keinen Bogen: Da wird eine Redakteurin fristlos gekündigt, weil Lidl wegen eines Berichts mit An-zeigenentzug droht. Zur Begründung muss ein Verstoß gegen die Tendenz und die wirtschaftlichen Interessen des Blattes herhalten – wäre doch wieder mal eine Gelegenheit diesem unsäglichen Tendenzschutzparagraphen endlich den Garaus zu machen, wie von der dju seit Jahren gefordert. Zugute muss dem Verleger gehalten werden, dass die Redakteurin nach einer Zeit der Besinnung, wieder eingestellt wurde. Aber, wie gesagt, auch der Versuch …

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »