Geschenkt wird nichts

Aserbaidschan ist das Land des diesjährigen Eurovision Song Contest am 26. Mai – eine „unpolitische Musikveranstaltung“, sagen die Organisatoren. Fraglich! Das politische Umfeld spricht eine deutliche Sprache. Auf den Straßen des Austragungsortes Baku protestierten im März Tausende gegen die Verletzung von Menschenrechten und für die Freilassung politischer Gefangener. Journalisten, die über die Proteste oder die Unruhen im Norden des Landes oder die Zwangsräumungen von Häusern für den Bau des Festivalpalastes kritisch berichten, werden behindert und verhaftet. Auf der Website www.pressefreiheit-fuer-baku.de von Reporter ohne Grenzen gibt es weitere Informationen über die Lage der Medien in Aserbaidschan. Deutsche Journalisten erhalten Hinweise zu Einreisebestimmungen und Visaverfahren.

Auch 2012 soll der Tag der Pressefreiheit, der 3. Mai, aufrütteln und den Fokus besonders scharf auf das Freiheitsmanko in vielen Ländern der Welt richten. In Syrien wird derzeit gezielt auf Berichterstatter geschossen, selbst über die türkische und die libanesische Grenze hinweg. Viele bezahlen die Suche nach der Wahrheit mit dem Leben. In Tunesien ist es ein steiniger Weg zur Demokratisierung des Landes. „Medienhatz“ ist an der Tagesordnung, die Aggressionen gegen Journalisten häufen sich. In Honduras werden Journalisten mit Mord bedroht.

Unsere durchaus vorhandenen Probleme rund um Demokratie und Medienfreiheit in Deutschland und anderen europäischen Ländern sind mit all dem nicht vergleichbar. Dennoch gilt: Geschenkt wird nichts, „jedes Recht ist umkämpft“. So gelang mit dem gerade verabschiedeten „Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit“ ein weiterer Schritt in Richtung eines umfassenderen Schutzes von Journalisten bei Recherche und Berichterstattung. Am Ziel sind wir aber noch nicht. Und in gewisser Weise ordnet sich auch die Diskussion um Sonderkonditionen für Journalisten hier ein. Zu viel Nähe zu Politik und Wirtschaft scheint programmiert – journalistische Unabhängigkeit gerät ins Wanken. Und doch ist es nur ein Aspekt in der Debatte über die Rolle der Medien und den Wert des journalistischen Berufes in unserer Wohlstandsdemokratie.

Karin Wenk,
verantwortliche Redakteurin

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