Großwetterlage: politisch unbeständig

Es ist Sommer – zumindest kalendarisch. Aber nicht nur Wetterkapriolen machen den Menschen zu schaffen. Auch in der Politik wechseln sich Hoch- und Tiefdruckgebiete ständig ab.

Kanzlerin Merkel verspricht einen Geldregen durch Steuersenkungen für arm und reich. Sprich: Die Armen wären dann etwas weniger arm und die Reichen noch reicher! Die Staatsverschuldung steigt. Dem CDU-hausgemachten Blitzeinschlag: Mehrwertsteuererhöhungen wurde schnell ausgewichen. Es hätte wohl zur Folge, dass das Wahlbarometer eher für rot oder grün in die Höhe schnellt. Denn schließlich haben wir Wahljahr, ein Superwahljahr mit Europa- und Bundestagswahl und drei Landtagswahlen. Unseriöse Wahlversprechungen jeglicher Farbschattierung bestimmen die politische Großwetterlage. Vorhersagen über deren Einhaltung, scheinen unmöglich. Es steht zu befürchten, dass angesichts des wolkenverhangenen Politikhimmels die Wähler wie bei der Europawahl lieber zu Hause bleiben!
Schaffen es die Medien, diese Wolken aufzulösen? Eine Betrachtung der bisherigen und geplanten Wahlkampfberichterstattung erlaubt erste Bewertungen. Immerhin wird sich an neue Formate gewagt, nicht zuletzt, um junge Wähler zu erreichen. „Ich kann Kanzler“ im ZDF war ein solcher, offenbar gelungener Versuch. 2,76 Millionen schalteten ein (11,5 Prozent Marktanteil). Das „ZDFparlameter“, ein interaktives Tool, wurde im Juni in Köln mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Es trage „definitiv zur Orientierung bei und macht namentliche Abstimmungen der Bundestagsabgeordneten transparent und dadurch Demokratie nachvollziehbar“, heißt es in der Jury-Begründung.
Das Internet ist im Kommen, scheint aber noch weit entfernt von einem aktiven, einflussreichen akzeptierten Wahlkampfmedium. Insgesamt geht der Trend Beobachtern zufolge immer mehr in Richtung Entpolitisierung und Personalisierung in der Berichterstattung. Auch treten prominente Journalisten zunehmend als „Akteure in der Wahlmanege“ auf, machen Politik. Ihre Aufgabe ist das nicht, eher im Gegenteil!
Dabei werden wir überrollt von politischen Themen in Wirtschaft, Finanzwelt und der Medienbranche, die nach hintergründiger journalistischer Spiegelung geradezu schreien. Daher hat auch die Mediengewerkschaft ver.di viele „Baustellen“. Mit der Reihe „ver.di im Gespräch“ mischt sie sich zum Beispiel immer wieder in die Politik ein. Die Staatsverträge im Rundfunk sind mehr denn je im Visier. Die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Anstalten sind gefordert, die Online-Angebote ihrer Sender zu prüfen. Herausforderung und Chance für gestalterisches Wirken zugleich!
Und weil trotz alledem Sommer ist, wird M erst wieder Mitte September erscheinen. Die Zeit bis dahin ist lang, und M hat wie jedes Jahr erneut eine große Anzahl von Ausschreibungen für Journalistenpreise und andere Service-Nachrichten erhalten. Nicht alle konnten in der Print-Ausgabe untergebracht werden. Deshalb haben wir erstmals einen erweiterten Service im Netz!

Weitere aktuelle Beiträge

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »