Ginge es nach Steve Ballmer, Geschäftsführer von Microsoft, würde es in zehn Jahren keine Printmedien mehr geben.
„Bis dahin, so Balmer, werde die ‚ganze Welt der Medien, Kommunikation und Werbung umgekrempelt`: Jeglicher Medienkonsum würde via Internet bedient, statt gedruckter Zeitungen und Magazine werde es ausschließlich elektronische Vertriebswege geben.“ So wird Balmer in dem gerade erschienenen Buch „Wozu noch Zeitungen? Wie das Internet die Presse revolutioniert“ wiedergegeben (Vandenhoeck & Ruprecht).
Die Meinungen, wie lange wir noch mit Papier und Druckerschwärze bei der Aufnahme von Informationen hantieren können, sind unterschiedlich. Der Blick richtet sich nach Amerika. Unerwartet stark wird die US-Medienbranche von der allgemeinen Krise und den medialen Umwälzungen gebeutelt. Zeitungssterben und Jobverluste ungeheuren Ausmaßes erschrecken. Auch in Großbritannien nimmt der Druck zu, werden vor allem Lokalzeitungen in die Knie gezwungen.
Geben die einen den Papierzeitungen noch mehrere Jahrzehnte Zeit, sprechen andere lediglich nationalen, überregionalen Zeitungen eine längere Lebensdauer zu wie Professor Philip Meyer von der Universität North Carolina. Dennoch scheinen die Zukunftsseher – auch im genannten Buch – doch in soweit einig, dass ein durchgreifender Wandel der traditionellen Zeitung nicht aufzuhalten ist und weitere Blätter sterben werden. Und es treibt sie die „Sorge um den Qualitätsjournalismus“ um, „dessen Standards im digitalen Zeitalter immer schwerer durchzusetzen sind“.
Entlassungen von Redakteuren werden in den USA begleitet von der Schließung ganzer Rechercheabteilungen. In Deutschland reduziert sich die Recherchezeit in geschrumpften Redaktionen, etwa wie bei der WAZ-Gruppe mit 300 Beschäftigten weniger. Gleichfalls nimmt die Vielfalt der Berichterstattung ab, wenn es weniger Regionalredaktionen gibt oder Sonderseiten produziert zu Dumpinghonoraren mehrfach angeboten werden. Der Agenturjournalismus gerät in die Bredouille, weil Verlage meinen, beim „Rohstoff Nachricht“ sparen und dennoch ihre umfassende Informationsaufgabe erfüllen zu können.
Wegen des Zeitungssterbens und der Internetsogwirkung das Web als Journalismuskiller zu verteufeln, greift zu kurz. Das Plädoyer der Experten (in „Wozu noch Zeitungen“) richtet sich an Zeitungsjournalisten, die sich auf die „Internet-Umgebung und ihre neuen Protagonisten, vorbehaltlos einlassen“ und die „schnellere Informationsvermittlung“ als publizistisches Potenzial begreifen. Es gelte, „ihre Rolle als Nachrichtenproduzenten neu zu überdenken“. Im Zuge der „Entschleunigung“ könnten täglich und stündlich aktualisierte Informationen Internet, Radio und TV vorbehalten sein. Die Zeitung konzentriert sich auf „kluge Analysen und Hintergrundberichte, Interpretation und Meinung“.
Fazit: Ob „Online first“ oder „Print first“ – „Journalismus first“ müsse immer die erste Regel bleiben.