Journalisten recherchieren täglich über 3,3 Stunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Ende Juni veröffentlichte Studie der Uni Leipzig.
Die im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt in Auftrag gegebene Untersuchung richtet den Fokus auf die journalistische Recherche im Internetzeitalter und die damit veränderte Arbeitsweise. Sie konstatiert, dass Recherchearbeit sehr differenziert eingesetzt wird und das Internet dabei nicht dominant ist. Das Telefongespräch ist das nach wie vor wichtigste Recherchemittel. Aber er gibt durchaus auch mahnende Erkenntnisse. So finde das Überprüfen – eine Grundtugend der journalistischen Recherche – nur noch eingeschränkt statt. Und, das Rechercheverhalten in der digitalen Medienwelt verstärke „den Hang zur Selbstreferentialität im Journalismus“. Computergestützte Recherchemittel führten „Journalisten zuallererst zu den Produkten ihrer Kollegen – und nicht zu selbst recherchierten Primärquellen“.
Eigentlich ist der Kern des Problems mangelnder Recherche damit getroffen. Die Folgen sind Mainstream-Berichterstattung, eine oberflächliche bis falsche Darstellung von Wirklichkeiten, langweilige Geschichten, keine kritischen oder gar enthüllenden Artikel … Glaubwürdigkeitsverluste!
Aber woran liegt das? Es wäre Augenauswischerei, nicht in erster Linie das journalistische Selbstverständnis dafür verantwortlich zu machen. Recherche ist doch offensichtlich als Kern des journalistischen Handwerks im Bewusstsein der Handelnden kaum verankert. Neben der Übernahme ungeprüfter Informationen, mindestens einem Zweitquellenscheck, gibt es zu wenig originale und originelle Sichtweisen – Themen die nicht erst durch politische Statements ins Blickfeld geraten, der Alltag ist voll davon. Auch kommen viele nicht über die Chronistenpflicht hinaus. Investigativ arbeiten nur die wenigsten. Dabei sind gerade Realitätsbezug und Gesellschaftskritik ureigenste journalistische Aufgaben.
Um ihr gerecht werden zu können, benötigen Journalisten jedoch entsprechende Arbeitsbedingungen in den Medienunternehmen. Das heißt, sie brauchen Zeit für ihre Recherche. Strukturelle und technische Veränderungen in den Redaktionen, Arbeitsplatzabbau für Renditeziele bewirken in der Regel jedoch das Gegenteil! Selbst wenn Newsdesks Chancen für den Zeitgewinn bieten, werde dies noch zu wenig genutzt. Pressestatistiken belegen, dass heutzutage mehr freie Mitarbeiter für Printredaktionen arbeiten als fest angestellte Redakteure. Sie bekommen jedoch den Aufwand ihrer Arbeit oder gar eine umfangreiche Recherche nicht bezahlt. Viele müssen Zeilen schinden, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass die dju bei der bereits angepfiffenen Tarifrunde auch für die Freien eine Steigerung der Bezahlung in gleicher Höhe wie für die Festen fordert. Und mit der Kündigung des Manteltarifvertrages für Zeitungen gehen die Verleger wieder mal ans Eingemachte. Überprüfen wir also, was dahinter steckt und ringen um mehr Recherchezeit!
Karin Wenk,
verantwortliche Redakteurin