Nicht lamentieren, einfach machen

Viele Möglichkeiten für aktive Beteiligung in ver.di

Die Fachgruppe Medien und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (dju) in ver.di engagieren sich für gute Arbeitsbedingungen und die berufspolitischen Interessen von Medienschaffenden. Sie mischen sich ein in die medienpolitische und gesellschaftspolitische Entwicklung unseres Landes. Die Gewerkschaft: Das sind die Mitglieder – ohne sie geht nix. Und mehr noch, sie können und sollen die Arbeit von ver.di (mit)bestimmen. M sprach darüber mit Tina Groll, Bundesvorsitzende der dju, und mit Manfred Kloiber, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Medien.

Welche Themen stehen aktuell im Fokus der Fachgruppe Medien?

Tina Groll | Wir wollen Gräben schließen zwischen Rundfunkleuten und Printjournalisten, zwischen etablierten und neuen Berufsgruppen. Dazu gab es bereits eine erste Diskussionsrunde in Köln. Wir machen uns intensiv Gedanken darüber, wie wir den Journalismus retten können. Das gilt vor allem für den lokalen Printjournalismus. Denn die Tageszeitungsbranche leidet extrem. Mittlerweile haben wir – nicht nur im Osten – Ein-Zeitungskreise und sogar Kein-Zeitungskreise. Angriffe, gerade von Rechtspopulisten, besorgen uns zutiefst. Da sehen wir die Pressefreiheit in Gefahr und das Ansehen der Presse. Kern unserer Arbeit ist nach wie vor die Tarifpolitik, gute Arbeitsbedingungen zu sichern und für die Zukunft zu schaffen. Insbesondere für die jungen Kolleg*innen wollen wir Tariflohnsteigerungen erreichen.

Manfred Kloiber | Der FG Medien und ganz ver.di. geht es darum, die Medien zu stärken und vor Angriffen zu schützen. Sie sind ein eminenter Bestandteil der Demokratie, vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk sowie die regionale und lokale Presse. Hier gibt es schwere Verwerfungen, Angriffe vor allem auf den Rundfunk, von Ultrarechten wie der AFD, aber auch von Neoliberalen. Großes Thema von ver.di ist der digitale Wandel. Wir sehen zum Beispiel Unternehmen aus anderen Bereichen, die jetzt journalistischen Content herausgeben. Ein Beispiel ist der Webevermarkter Ströer mit seinem Nachrichtenportal t-online.de. Das zeigt, wie sehr die Welten zusammenwachsen. ver.di versucht deshalb zu all seinen Mitgliedern in diesen Branchen einen Bogen zu schlagen und sie zusammenzuführen.

Expertise und Kompetenz sind gefragt, wenn es um die Medienpolitik in Deutschland geht – eine Stärke von ver.di?

Tina Groll
Foto: Murat Türemis

Tina | In jedem Fall! Zum Beispiel das Bundespresse-Auskunftsrecht. Es ist ein großes Anliegen von uns, dass die Bundesgesetzgebung Lücken schließt und Auskunftsansprüche und –rechte von Journalist*innen ausbaut und stärkt. Ein Erfolg war jüngst die Novellierung des Geschäftsgeheimnisgesetzes. Hier ist es gelungen – auch durch unseren Druck – bei den Parlamentariern Ausnahmeregelungen für Journalist*innen im Sinne der Pressefreiheit durchzusetzen.

Manfred Kloiber, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Medien in ver.di Foto: Murat Tueremis
Manfred Kloiber, Bundesvorsitzender der Fachgruppe Medien in ver.di
Foto: Murat Tueremis

Manfred | Eines der wichtigsten Dauerthemen ist das Urheberrecht, nicht zuletzt, weil mit der Entwicklung der digitalen Plattformen ständig neue Herausforderungen anstehen. Da sind wir natürlich in der Diskussion mit und für Publizisten, Journalistinnen, Buchautoren, Künstlerinnen, die ja alle in ver.di vertreten sind. Mit Stellungnahmen zu den Gesetzesnovellierungen und der Teilnahme an parlamentarischen Anhörungen bringt sich ver.di in den Gesetzgebungsvorgang ein. Wichtig ist außerdem, dass man nicht nur ein gutes Urheberrecht hat, sondern dass man seine Rechte auch durchsetzen kann. Für viele Urheber*innen ist das nicht einfach, wenn sie als Einzelkämpfer einem großen Medienkonzern oder öffentlich-rechtlichen Anstalten gegenüberstehen. Die Gewerkschaft kämpft deshalb dafür, zum Beispiel durch Verbandsklagen, diese Rechte wirksamer einklagen zu können. Ebenso wichtig ist es, dass Urheber*innen eine Auskunft bekommen, wie ihre Werke genutzt werden, um ihre Ansprüche zu kennen.

In diesen Zeiten verändern sich Berufsbilder enorm. Welche Anforderungen ergeben sich daraus für die Gewerkschaft?

Tina | Die Weiterentwicklung des Berufsbildes, beispielsweise von Journalist*innen, beschäftigt uns sehr. Man muss dabei zurecht fragen, wen vertreten wir zukünftig. Wer ist Journalist*in? Auch ein Rezo ist im weitesten Sinne Journalist. In den Newsrooms arbeiten heute auch Entwicklungsredakteure. Sie stehen vielleicht eher auf der technischen Seite, entwickeln aber journalistische Formate technisch weiter, designen letztendlich den Journalismus der Zukunft. Auch für sie sollten wir da sein. ver.di kann alle Beschäftigten im Medienbereich vertreten. Das unterscheidet uns letztendlich auch von Berufsverbänden wie dem DJV.

Manfred | Und das ist eine große Chance. Indem wir breiter aufgestellt sind, verfügen wir über mehr Wissen, wie sich Berufe tatsächlich aufeinander zu entwickeln. Im Rundfunk kennen wir das seit vielen Jahren. Die strikte Trennung zwischen Technik, Verwaltung und redaktionellem Personal löst sich vergleichsweise in atemberaubender Geschwindigkeit auf. Mediengestalter*innen arbeiten aktiv an redaktionellen Inhalten mit und Redakteur*innen haben immer mehr auch technische Aufgaben. Auf der Seite der Plattformen entwickeln sich jede Menge neuer Formen, die wenn nicht journalistisch, auf jeden Fall publizistisch sind. Das alles beobachten wir und versuchen es, mit unseren Strukturen abzudecken, um eine wirksame Interessenvertretung für all diese Beschäftigten zu sein.

Was sind zurzeit Knackpunkte der Tarifpolitik?

Tina | Wir müssen ran, wenn man so will, an den Häuserkampf. Das heißt, outgesourcte und nicht mehr tarifgebundene Unternehmen wieder in die Tarifbindung holen. Und das betrifft natürlich auch neue Akteure wie Buzzfeed, Vice, Watson, T-Online von Ströer. Außerdem geht es künftig auch darum, nicht nur Finanzielles zu tarifieren. Zentrale Fragen ranken sich um Arbeitszeit, Schichtarbeit, flexibles Arbeiten, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Altersvorsorge, vor allem für die jüngere und mittlere Generation. Für die vielen freien Kolleg*innen, ohne die letztlich nichts geht im Newsroom, brauchen wir einheitliche Vergütungsstandards.

Manfred | Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat zurzeit das politische Gezänk um den Rundfunkbeitrag massive Auswirkungen auf die Tarifpolitik. Die Sender fügen sich diesem Druck und versuchen ihn an die Beschäftigten weiter zu geben, indem sie Angebote machen, die sehr schlecht sind und weit hinter dem Abschluss im Öffentlichen Dienst zurückstehen. Den Kostendruck versuchen die Arbeitgeber zu kompensieren, indem sie immer mehr Tätigkeiten auslagern an freie Mitarbeiter*innen, die ihnen deutlich billiger erscheinen. All das können wir uns natürlich nicht gefallen lassen. Was können die Beschäftigten dafür, dass über den Rundfunkbeitrag in dieser abenteuerlichen Weise diskutiert wird. Deshalb müssen wir mit einer klugen Tarifpolitik darauf achten, dass es eine sinnvolle Verteilung von Arbeit zwischen festangestellten Kolleg*innen und Freien gibt. Auch in den Produktionen nimmt das Outsourcing weiter zu. Hier setzen wir uns ebenso dafür ein, dass für die Beschäftigten in den Produktionsfirmen bei Film und Fernsehen, die für die Öffentlich-Rechtlichen arbeiten, vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen.

Wie können Kolleg*innen konkret aktiv mitarbeiten, sich engagieren in und mit ver.di?

Tina | Gewerkschaft sollte schon mehr sein als ein Nukleus von Leuten, die tatsächlich verlässlich mitarbeiten. Ein junges ver.di-Mitglied sagte neulich: „Nicht lange rum lamentieren, sondern machen!“ Dem würde ich mich anschließen. Wenn nicht Zeiten wie diese politisieren, was dann? Da müssen wir nicht in die Welt schauen, nur was vor der Haustür passiert, wo Angriffe auf Journalist*innen täglich zunehmen und selbst Menschen aus der Mittelschicht, die gut gebildet sind, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk plötzlich als Staatsfunk bezeichnen und sein Dasein in Frage stellen. Jugendliche und Kinder schaffen es mit Schulstreiks, ein ganz wichtiges Thema auf die Straße zu bringen: Klimawandel und Umweltschutz. Genauso wichtig ist die Frage von freiheitlicher Demokratie, der Verteidigung aller Werte, die in unserer Verfassung stehen – der Meinungs- und Pressefreiheit. Jeder ist willkommen, man muss kein Amt übernehmen. Man kann auch selbst Projekte vorschlagen.

Manfred | Im Rundfunk haben wir gerade Tarifaus­einandersetzungen, die von Streiks begleitet sind. Zu sagen, ich streike mit, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen – das ist aktive Beteiligung. Es hört sich vielleicht banal an, ist aber extrem wichtig, damit die Arbeitgeber sehen, dass die Leute hinter den ver.di-Forderungen stehen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde viel geregelt. Vieles scheint heute als Selbstverständlichkeit: Tarifgehälter und –honorare, geregelte Urlaubszeiten und andere soziale Ansprüche. Aber der Witz ist, dass alles immer wieder in Frage gestellt wird. Das ist kein Automatismus. Hier kann und muss diskutiert werden und man kann sich auch bei einzelnen Sachfragen einbringen, Probleme benennen und vor Ort Veränderungen anregen.

Wenn ihr einen noch einen Wunsch für eine verbesserte Mitbestimmung frei hättet…?

Tina | Ich wäre zufrieden, wenn der Tendenzschutz abgeschafft würde, der in den Verlagen die Mitbestimmung behindert.

Manfred | In allen öffentlich-rechtlichen Anstalten soll die betriebliche Mitbestimmung auch für die arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter*innen in vollem Umfang gelten (s. S.15).

Kontakte zur Gewerkschaft

https://dju.verdi.de

https://medien-kunst-industrie.verdi.de/

https://verdi.de

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