Cumhuriyet-Prozess fortgesetzt

In der Türkei wurde am 31. Oktober der Prozess gegen 17 Mitarbeiter der unabhängigen Tageszeitung Cumhuriyet fortgesetzt. Nachdem während vorangegangener Verhandlungstage bereits acht der Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen worden waren, endete die gestrige Anhörung ohne weitere Haftentlassungen. In einem weiteren Prozess wurden die letzten zwei von neun angeklagten Mitarbeitern der pro-kurdischen Tageszeitung „Özgür Gündem“ freigelassen.

Vorgeworfen wird ihnen Unterstützung terroristischer Gruppen und Präsidentenbeleidigung. Zum vierten Verhandlungstermin gegen die 17 Mitarbeiter von Cumhuriyet hatte die Staatsanwaltschaft für die vier noch immer Inhaftierten die Fortsetzung der Haft gefordert. Wie Die Welt berichtet, sei das Gericht dem gefolgt und habe entschieden, die Ergreifung des im deutschen Exil lebenden ehemaligen Chefredakteurs Can Dündar und des Journalisten Ilhan Tanir abzuwarten sowie drei weitere Zeugen und einen Gutachter anzuhören. Damit bleiben Cumhuriyet-Chefredakteur Murat Sabuncu, Herausgeber Akin Atalay, Investigativjournalist Ahmet Sik und der Buchhalter Yusuf Emre Iper vorerst weiter in Haft. Die nächste Anhörung wird am 25. Dezember stattfinden.

Ebenfalls am gestrigen Dienstag fand ein weiterer Verhandlungstermin gegen neun Mitarbeiter der pro-kurdischen Tageszeitung „Özgür Gündem“ statt, die im August 2016 per Dekret geschlossen worden war. Mit Inan Kizilkaya und Kemal Sancili wurden am Ende der Verhandlung die letzten beiden Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Prozess soll am 6. März 2018 fortgesetzt werden

Prozess gegen Journalisten der RedHack-Affäre

Am 24. Oktober hat zudem in Istanbul der Prozess gegen die Journalisten der Redhack-Affäre begonnen. Vorgeworfen werden ihnen Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen und Propaganda für eine terroristische Organisation. Tunca Ögreten, ehemaliger Redakteur der Nachrichtenseite „Diken“, Mahir Kanaat, Mitarbeiter der Tageszeitung „Birgün“, Ömer Celik und Metin Yoksu, Reporter der mittlerweile geschlossenen Nachrichtenagentur „DIHA“, Eray Sargin, Chefredakteur der Zeitung „Yolculuk“, und Derya Okatan, leitender Redakteur der Nachrichtenagentur „ETHA“, für die auch die ebenfalls in der Türkei inhaftierte Deutsche Mesale Tolu gearbeitet hatte, waren am 25. Dezember 2016 festgenommen worden. Die Journalisten hatten über E-Mails des türkischen Energieministers Berat Albayrak berichtet, die vom linken Hackerkollektiv RedHack in Umlauf gebracht und auf Wikileaks veröffentlicht worden waren. In seinem Zwischenurteil hat das Gericht vergangene Woche entschieden, den Journalisten Ömer Çelik aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Der nächste Verhandlungstermin wurde auf den 6. Dezember festgesetzt.

Über besagte E-Mails hatte auch der Welt-Korrespondent Deniz Yücel berichtet, der gemeinsam mit den sechs anderen Journalisten zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Nachdem er sich am 14. Februar 2017 freiwillig bei der Polizei gemeldet hatte, wurde er allerdings nur kurz zu RedHack befragt. In dem gegen ihn erlassenen Haftbefehl war zwei Wochen später ‚nur‘ noch von Terrorpropaganda und Volksverhetzung die Rede. Später wurde Yücels Verfahren von dem der sechs anderen Angeklagten im Zusammenhang mit der RedHack-Affäre abgetrennt. Er wartet bis heute auf seine Anklageschrift. Die erste Frist für eine Stellungnahme, zu der der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die türkische Regierung aufgefordert hatte, war am 24. Oktober abgelaufen. Nachdem Ankara den EGMR um eine Fristverlängerung gebeten hatte, muss die Stellungnahme nun bis zum 14. November vorliegen.

Gestern hatte sich am Fall Yücel zudem die größte türkische Oppositionspartei (CHP) eingeschaltet. Der Abgeordnete Sezgin Tanrikulu hat im Parlament eine kleine Anfrage zu den Umständen der Inhaftierung des Welt-Korrespondenten gestellt, unter anderem zu den Gründen für die noch immer fehlende Anklageschrift und seine Isolationshaft.

Ebenfalls weiterhin im Gefängnis sitzt die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu, deren Prozess am 11. Oktober im Hochsicherheitstrakt von Silivri begonnen hat. Den Antrag ihrer Verteidigung, Tolu aus der Untersuchungshaft zu entlassen, lehnte das Gericht ab. Der Prozess soll am 18. Dezember fortgesetzt werden.

Nach Angaben von Reporters Without Borders befinden sich derzeit in der Türkei noch immer 100 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »