Spardiktat ohne Programmeinbußen

Polititk und Gesellschaft im Spiegel von ARD und ZDF
Fotos: ARD /Grafik: Petra Dreßler

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht unter Druck. Seine Akzeptanz ist ungebrochen, Quote und Qualität sind von beachtlichem Niveau. Aber die Politik will Beitragsstabilität, weitere Sparanstrengungen und den Rundfunkauftrag neu definieren. Die Anstalten pochen auf bedarfsgerechte Finanzierung. Zugleich krempeln sie unter dem Spardiktat mehr denn je ihre Strukturen um.

In zwei Arbeitsgruppen der Länder wird die Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio verhandelt. Schon seit zweieinhalb Jahren streitet eine AG über „Auftrag und Strukturoptimierung der Rundfunk­anstalten“ (M 2/2018). Auf Geheiß der Medien­politiker legten die Anstalten im Herbst 2017 einen Bericht vor, in dem sie ihre eigene Sicht auf Strukturreformen kundtaten und ein konkretes Spar­paket vorlegten. Die Hauptnachricht: An allem soll gespart werden, nur nicht am Programm.

Anfang 2018 machte der neue ARD-Vorsitzende ­Ulrich Wilhelm klar, dass bei ausbleibendem „Teuerungsausgleich“ ab der kommenden Gebührenperiode 2021–2025 kein Weg an massiven Einschnitten im Programm vorbeiführen werde (Interview M 1/2018). ARD und ZDF verwiesen auf bereits geleistete und beschlossene Einsparungen. Knapp 270 Millionen Euro will das ZDF bis 2028 sparen, bei der ARD sind es etwa 951 Millionen.

Um die „Neufassung der Beauftragung“ – im Klardeutsch: den Programmauftrag – geht es in der zweiten, erst Ende Januar gegründeten AG. Die soll unter anderem die alte Streitfrage klären, was die Öffentlich-Rechtlichen im Netz dürfen und was nicht. Unlängst einigten sich Verlage und Sender überraschend – weitgehend ohne Mitwirken der Politiker – auf ein Modell friedlicher Koexistenz. Als Mitte Juni die Eckpunkte für einen neuen Telemedien-Staatsvertrag verkündet wurden, klopften sich alle Beteiligten auf die Schulter. ARD und ZDF bezeichneten die Einigung als akzeptablen Kompromiss, BDZV-Präsident und Springer-Vorstand Mathias Döpfner pries das Ergebnis als „gute Voraussetzung, um das duale Mediensystem zu stabilisieren“, und Malu Dreyer, Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, sah „nach langem Ringen nur Gewinner am Tisch“.

In der übrigen Medienwelt fiel das Echo weniger positiv aus. Zur Erinnerung: Die Sender hatten sich bei dem Deal bereit erklärt, das von den Verlegern angestrebte Verbot der „Presseähnlichkeit“ zu akzeptieren und angekündigt, die Textmengen ihrer Online-Auftritte zu reduzieren. Im Gegenzug wird die erlaubte Verweildauer von Bewegtbild in den Mediatheken verlängert. Künftig dürfen auch Lizenzproduktionen – etwa europäische Filme und Serien, nicht jedoch US-amerikanische – in die Mediatheken eingestellt werden. Eine Schiedsstelle soll Streitfälle schlichten und Konflikte wie den langjährigen Streit um die „Tagesschau“-App gar nicht erst entstehen lassen.

Moderner Auftrag eingeschränkt

Aus der Medienpolitik hagelte es kritische Stimmen. Die Zukunft der Mediennutzung sei „plattformunabhängig“, argumentierte Doris Achelwilm, medien­politische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, „wir schauen auf Smartphones Fernsehbeiträge oder lesen die Zeitung im Internet“. Das Verbot angeblich presseähnlicher Artikel auf Webseiten von ARD und ZDF sei „aus der Zeit gefallen, rettet vermutlich keinen bedrohten Zeitungsverlag und schränkt einen modernen Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen ein“. Die Grünen-Mediensprecherin Tabea Rößner sah in der paritätisch zu besetzenden Schlichtungsstelle gar ein verfassungsrechtliches Problem: Wenn Pressevertreter künftig über die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags mitbestimmen dürften, sei dies ein „Eingriff in den Kernbereich der Programmautonomie“. Auch der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke kommentierte, die Reform verkenne „die wahren Gegebenheiten im Netz und bleibt gedanklich in der analogen Welt stecken“.

Nach dem Beschluss folgen nun die Mühen der Ebene. Die Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender sollen künftig ihren Schwerpunkt auf Audiovisuelles, also Bewegtbild und Ton legen. Das sind allerdings recht unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Umsetzung des neuen Telemedien-Staatsvertrags sei eine „Gemeinschaftsaufgabe“, bei der sich Onliner, Juristen und Techniker untereinander koordinieren würden, kündigte ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm nach der letzten Intendantensitzung vor der Sommerpause an. Die Schlichtungsstelle sei keine Schiedsstelle, präzisierte er bei dieser Gelegenheit, sie spreche lediglich Empfehlungen aus. Wenn der Ausgang „nicht zur Zufriedenheit eines Beschwerde führenden Verlags ausgeht, bleibt weiterhin der Weg zum Gericht“. Angesichts der Schwierigkeiten, ihre Digitalangebote zu monetarisieren, dürften viele Verleger die Aktivitäten von ARD und ZDF auch weiterhin misstrauisch beäugen. Im Grunde dreht sich der Streit um des Kaisers Bart: Von den 45 Minuten, die die Deutschen im Schnitt täglich für internetbasierte Mediennutzung aufwenden, entfallen laut aktueller ARD-ZDF-Online-Studie nur sieben Minuten auf das Lesen von Artikeln. Die Hauptaufmerksamkeit gilt Musik, Videos und Podcasts. Den weiteren Niedergang vieler Printmedien dürfte also auch der neue Telemedien-Staatsvertrag nicht stoppen.

Regulierung von Intermediären

Zeitgleich zur Diskussion um die strukturellen Reformen bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten haben die Länder den Entwurf eines Medienstaatsvertrages vorgelegt, der den bisherigen Rundfunkstaatsvertrag ersetzen soll. Darin geht es erstmals auch um Regulierungsvorschriften für sogenannte Intermediäre wie Suchmaschinen wie Google und sogenannte Soziale Netzwerke wie Facebook, die etwa mehr Transparenz an den Tag und ihre Algorithmen offenlegen sollen. Es geht aber auch um die vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entscheidende Frage, was künftig als Rundfunk gelten soll. So sollen etwa Bagatellregelungen geschaffen werden, die Rundfunkanbieter im Internet von der Zulassungspflicht befreien, wenn sie weniger als durchschnittlich 20.000 Zuschauer pro Monat erreichen. Das ist einerseits eine verbrauchernahe Lösung, weil nicht jeder winzige Anbieter eine Lizenz braucht, andererseits erleichtert es den Verlagen, durch Livestreams ins „Rundfunkgeschäft“ einzusteigen (vermutlich haben gerade viele kleine regionale Verlage weniger als 20.000 Zuschauer). An der Konsultation zum Medienstaatsvertrag können sich alle Bürger bis 30. September online beteiligen.


Mitwirkung

An der Konsultation zum Medienstaatsvertrag können sich alle Bürger bis 30. September hier online beteiligen.

Zum Bericht der Monopolkommission können Verbände bis 20. September Stellung nehmen.


Kaum Aufmerksamkeit schenken die Medienpolitiker der Länder dagegen den Gefahren, die für die Meinungsvielfalt von der wachsenden Medienkonzentration ausgehen. Darauf verwies Ende August die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). In einem Schreiben an die Rundfunkkommission der Länder zeigte sich KEK-Vorsitzender Georgios Gounalakis verwundert darüber, dass die zwischen beiden Institutionen diskutierten Reformvorschläge für ein „fernsehunabhängiges Vielfalt­sicherungsmodell“ im Staatsvertragsentwurf keinen Niederschlag gefunden hätten.

Ein solches Modell favorisiert auch die Monopolkommission in ihrem kürzlich erschienenen 22. Hauptgutachten. „Die bisher fernsehzentrierte Medienkonzentrationskontrolle sollte daraufhin überprüft werden, ob ein medienübergreifendes Konzentrationsrecht besser geeignet ist, Gefahren für die freie Meinungs- und Willensbildung vorzubeugen“, heißt es in den Empfehlungen der Gutachter.

Fragliche Wettbewerbsverzerrungen

In dem ausführlichen Berichtsteil über die Situation der audiovisuellen Medien beschäftigt sich die Monopolkommission interessanterweise auch mit Fragen des Rundfunkbegriffs. Die Schlussfolgerungen in diesem Bereich fallen weniger logisch aus. Wie gewohnt nimmt die Kommission allein eine wirtschaftliche ­Betrachtung vor und sieht an jeder Ecke Wettbewerbsverzerrungen durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dessen gesellschaftliche Bedeutung für die Demo­kratie und die Perspektive der Beitragszahler fehlen vollkommen. Nicht verwunderlich, dass die Autoren deshalb die öffentlich-rechtlichen Onlineauftritte als viel zu weitgehend betrachten. Mal davon abgesehen, dass der Bund, dem das Gutachten vorgelegt wurde, keinerlei Befugnisse zur Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland hat. Verbände können bis 20. September dazu Stellung nehmen.

Vielleicht sollten sich die wirtschaftsliberalen Monopolkommissare mal die Quintessenz des jüngsten Bundesverfassungsgerichts-Urteils vom 18. Juli zum Rundfunkbeitrag aneignen. Bekanntlich entschied das Gericht, dass lediglich ein zweiter Beitrag für eine Zweitwohnung nicht verfassungsgemäß sei. Ansonsten heben die Verfassungswächter gewohnt konsequent die konstitutive Bedeutung der Öffentlich-Rechtlichen für die Demokratie hervor. Kostprobe: „Das Angebot von fast 90 Rundfunkprogrammen rund um die Uhr rechtfertigt die zusätzliche finanzielle Belastung von Personen, die als Steuerzahler bereits die allgemeinen Staatsaufgaben finanziert haben.“ Zehn bundesweite Fernseh- und 67 Hörfunkprogramme, dazu neun dritte TV-Programme sowie Sparten-, Bildungs- und Telemedienangebote sind in den Augen der Richter eine pralle Angebotsvielfalt. Der entscheidende Satz: „Der Rundfunkbeitrag wird speziell zur Finanzierung des demokratiewesentlichen Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben, ohne den Druck zu Marktgewinnen die Wirklichkeit unverzerrt darzustellen, das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu stellen und professionell die Vielfalt der Meinungen abzubilden, wie Art.5 Abs.1 GG es vorsieht.“

Dessen ungeachtet setzt sich das Trommelfeuer einiger Verlage gegen ARD und ZDF fort. Radio-Bremen-Intendant Jan Metzger äußerte im Frühjahr auf dem Kongress der ARD-Freien, was auf den Medienseiten passiere, habe „streckenweise mit Journalismus nichts mehr zu tun“, sondern das sei „Verlagspropaganda“. Nicht selten grenzt es ans Lächerliche, was da von gestandenen Medienredakteuren an Attacken geritten wird. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk vermittle „kaum noch Bildung, klassisches Wissen oder Kultur“ beschwerte sich wiederholt Joachim Huber, Medienressortleiter beim Berliner Tagesspiegel. Und setzt dem 13,4 Millionen-Jahresetat von ARD-alpha, dem vermeintlichen „Feigenblatt“ unter den 21 öffentlich-rechtlichen TV-Programmen, die acht Milliarden Euro Gesamteinnahmen von ARD und ZDF gegenüber. Um nebenbei noch über exorbitante Ausgaben für Sportrechte – die Fußball-WM – zu wettern.

Immerhin: ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm konnte Anfang August im Rahmen einer Positionsbestimmung ausführlich kontern. Die ARD leiste auch jenseits des Programms einen „wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft“. Sie sei ein „starker und verlässlicher Partner der deutschen Filmwirtschaft“. So flössen jährlich mehr als 650 Millionen Euro in Filmproduktionen, weitere 50 Millionen gingen an die Filmförderungsanstalten des Bundes und der Länder. Gefördert würden darüber hinaus die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sowie junge Talente aus Musik, Kabarett und Literatur. Ganz zu schweigen von den unzähligen Kultur- und Medienpartnerschaften in den Bundesländern.

Das gleiche Forum nutzte auch ZDF-Intendant Thomas Bellut, um die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihre Rolle im gesellschaftlichen Diskurs hervor zu heben. Die Akzeptanz der Angebote von ARD und ZDF sei in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Spannungen seien zum Beispiel öffentlich-rechtliche Nachrichten „gefragt wie lange nicht mehr“. In den Befragungen zur Glaubwürdigkeit schnitten sie ähnlich wie die Presse „kontinuierlich gut“ ab, die sozialen Medien dagegen „sehr schlecht, auch bei den jüngeren Nutzern“. Das öffentlich-rechtliche System benötige einen breiten Konsens in der Gesellschaft, schließlich würden seine Leistungen von allen bezahlt. „Der Vorwurf einiger Rundfunkpolitiker, die Sender seien nicht bereit, ausreichend zu sparen, ist unfair“, konstatiert Bellut. Es gebe „große Sparanstrengungen, und es gibt ein gemeinsames Sparpaket aller Anstalten, das weit in die Zukunft reicht“.

Schlanke und moderne Strukturen

Tatsächlich werden die Arbeitsprozesse in den Sendern derzeit im Zeichen der Sparpolitik so rapide umgestülpt, dass die Belegschaften und ihre Vertretungen kaum zum Luftholen kommen. 20 Projekte hat der Senderverbund aufgelegt, an denen die einzelnen Anstalten in unterschiedlichem Maße beteiligt sind. Bis Ende 2024 kalkuliert die ARD hier mit einem Einsparvolumen von 311 Mio. Euro, im Zeitraum von 2025 bis 2028 sollen es weitere 277 Mio. sein. „Die Strukturen hinter dem Programm werden durch unseren tiefgreifenden Reformprozess schlanker und moderner. Bei elf der 20 Strukturprojekte arbeiten wir mit dem ZDF zusammen, bei 15 mit Deutschlandradio“, erklärte die damalige ARD-Vorsitzende Karola Wille und MDR-Intendantin im ARD-Bericht an die Länder Ende 2017. Sie verwies auch darauf, dass die einzelnen ARD-Anstalten in ihren Häusern bereits seit Jahren sparten. Die nun festgelegten 20 Strukturprojekte – die Umsetzung einiger ist bereits in vollem Gange – beziehen sich ausschließlich auf Verwaltung, Technik und Produktion. Diese drei Bereiche machen der ARD zufolge rund 20 Prozent von deren Gesamtetat aus. Der Gesamtetat des Senderverbunds betrug im Jahr 2016 rund 6,6 Mrd. Euro (davon stammen 5,6 Mrd. Euro aus dem Rundfunkbeitrag).

Der Einsatz neuer digitaler Techniken, die Umstellung auf Crossmedialität laufen in der Praxis zwar meist auf mehr Effizienz hinaus. Für die Beschäftigten geht dies aber in der Regel einher mit Arbeitsverdichtung, Veränderung von Berufsbildern, erhöhten Qualifikationsanforderungen. Wie diese Transformation im Detail abläuft, soll im Folgenden anhand einiger Senderporträts exemplarisch dargestellt werden.

Moderator Christian Haacke konzentriert bei der Sendevorbereitung im N-Joy-Studio beim NDR in Hamburg. Fröhlich, informativ und mit jeder Menge Musik geht es wochentags von 15 bis 19 Uhr zu bei „Haacke und Nina“.
Foto: Jan-Timo Schaube

 

Stefanie Hornig präsentiert bei N-Joy in der Morningshow „Kuhlage und Hardeland“ die News und jeden Sonntagabend die spannenden Geschichten hinter den Schlagzeilen aus aller Welt. N-Joy vom NDR ist die Radiowelle für 14- bis 39-jährige aus dem Norden.
Foto: Jan-Timo Schaube

 

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Foto: WDR/Klaus Görgen

 

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