Viel Überwachung heißt weniger Freiheiten

Trotz Regen: Lieber bunt, statt überwacht: Demo auf dem Berliner Gendarmenmarkt.
Foto: Christian von Polentz

„Rettet die Grundrechte“, hieß es bei einer Kundgebung auf dem Berliner Gendarmenmarkt und einer anschließenden Demonstration am 9. September 2017. Mehr als 50 Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen, dju und DJV sowie Amnesty International Deutschland hatten aufgerufen, vor der Bundestagswahl ein Zeichen gegen staatliche Überwachung und für den Erhalt individueller Freiheiten zu setzen.

Rena Tangens von Digitalcourage erklärte: „In Panik läuft die Große Koalition den AfD-Forderungen hinterher und beschließt ein Überwachungsgesetz nach dem anderen: BND-Gesetz, Anti-Terror-Paket, Staatstrojaner und Videoüberwachungsverbesserungsgesetz.“ Diese Gesetze müssten zurückgezogen werden. „Keine Stimme für die Überwachungsparteien CDU, SPD und AfD!“, sagte sie.

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach zu den Teilnehmer_innen und forderte: „Die mit der Begründung des Kampfes gegen den Terrorismus bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkten Grundrechte müssen wieder hergestellt werden. Michael Rediske von Reporter Ohne Grenzen e.V. zeigte sich besorgt über die Auswirkungen der zunehmenden Überwachung auf die Meinungs- und Pressefreiheit: „Mehr Überwachung bedeutet zwangsläufig weniger Freiheit – und in den vergangenen vier Jahren leider auch weniger Pressefreiheit.“

Leena Simon vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung verwies in ihrer Rede darauf, dass mutwillig Angst geschürt werde, um Einschränkungen elementarer Rechte im Namen der Sicherheit zuzulassen. Die Netzphilosophin forderte ein Umdenken: „Nur wenn wir einander helfen und solidarisch sind, können wir sicher leben. Deshalb ist für mich der Einsatz für Grund- und Menschenrechte die beste Sicherheitspolitik.“

Werner Hülsmann (Deutsche Vereinigung für Datenschutz) betonte: „Datenschutz ist Menschenrecht.“ Es sei von der aktuellen Politik nicht ausreichend gewürdigt: „Statt die EU-Datenschutzgrundverordnung als Chance für einen modernen Datenschutz auch in den Betrieben zu nutzen, hat der Gesetzgeber mit dem neuen Bundesdatenschutzgesetz ohne Not insbesondere die Betroffenenrechte unsäglich eingeschränkt.“

Das anschließenden Friedensfest bot Attraktionen für die ganze Familie: Bei Gesichtserkennung per Videoüberwachung konnten die Teilnehmer_innen probieren, sie mit Anti-Biometrieschminke auszutricksen. Grundrechte wurden von einem Marktschreier im Dutzend billiger verramscht, auf der Hüpfburg konnten alle einmal selber die Grundrechte mit Füßen treten – „nach dem Vorbild der Großen Koalition“, so die Veranstalter. Auf einer Cryptoparty lernten Interessierte zu verschlüsseln, an der „Festtafel“ schließlich wurde bei Brot und Wein über Demokratie und Freiheit debattiert.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »

Gewalt an Frauen bleibt Leerstelle

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich. Und nicht nur in Politik und Justiz besteht großer Nachholbedarf im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Auch die journalistische Praxis zeigt deutliche Schwächen und erhebliche Leerstellen. Der aktuelle Trendreport der Otto Brenner Stiftung nimmt die Jahre 2020 bis 2022 in den Blick und stellt fest: Gewalt gegen Frauen wird isoliert dargestellt, ohne strukturelle Ursachen und Präventionsmöglichkeiten zu thematisieren. Das betrifft besonders deutsche Täter. Die Perspektive der Opfer bleibt unterbelichtet.
mehr »

Gewalt gegen Medienschaffende

Eine erneut alarmierende Bilanz zieht die internationale Organisation Reporters Sans Frontiers (RSF), die weltweit Angriffe und Gewalttaten gegen Journalist*innen und damit gegen die Pressefreiheit dokumentiert: 55 getötete, 550 inhaftierte, 55 in Geiselhaft genommene und 95 unter unklaren Umständen vermisste Medienschaffende sind bis Anfang Dezember für dieses Jahr zu beklagen.
mehr »