Tarifverhandlungen beim WDR bereits in der fünften Runde
Die Welt wird immer digitaler – auch im Rundfunk. Da ist ein Honorarrahmen von 1978 natürlich hoffnungslos veraltet. Im Lauf der Zeit wurde der WDR-Honorarrahmen zwar immer mal wieder ein wenig aufgemöbelt, etwa mit einer dritten Säule für das Internet oder einem Tarifvertrag für Producer*innen. Doch letztendlich passt ein Honorarrahmen aus einer linearen Welt, in der es noch kein Internet gab, heute vorne und hinten nicht mehr.
Ein ehrgeiziges Projekt! Denn der WDR will noch innerhalb dieses Jahres zumindest Eckpunkte dazu mit den Gewerkschaften vereinbaren. Inzwischen sind wir in der fünften Verhandlungsrunde und es bleibt spannend. Immerhin produziert die größte ARD-Anstalt jede Menge Programm und fast täglich kommen neue digitale Produkte dazu. Wie in vielen anderen Anstalten auch muss das bei einem gleichbleibenden Honorartopf geschultert werden. Das heißt, für die meisten in jedem Fall mehr Arbeit und für viele weniger Geld. Im WDR heißt das aber auch: Einige wenige verdienen immer noch gutes Geld, während es für andere immer enger wird.
Zum Auftakt der Verhandlungen präsentierte uns der Sender zunächst einmal seine fünf Ziele: Das neue Honorarmodell soll gerechter werden und vor allem zukunftsfähig sein. Es soll unabhängig von Ausspielwegen funktionieren, fair und angemessen sein und schon bei der Beauftragung einfach und transparent daherkommen. Im zweiten Schritt hat der WDR dann ein Fünf-Säulen-Modell vorgestellt, das die unterschiedlichen Programm-Bereiche mit all den dazugehörigen Tätigkeiten abbildet. Auf Drängen der Gewerkschaften hat der Sender dann die Katze aus dem Sack gelassen und die jeweiligen Positionen wie Audio, Video, Social Media, Moderation und Produktion mit Euro-Beträgen hinterlegt.
Nach den vollmundigen Ankündigungen im „Marketing-Jargon“ war das Erwachen für viele sehr ernüchternd. Bei genauem Nachrechnen stellte sich heraus, dass der Sender in manchen Bereichen bis zu 30 Prozent der tatsächlich gezahlten Honorare einfach kürzen will. Ausgleich sollen zwei nicht näher definierte Zuschläge schaffen, die zusammen 60 Prozent des Honorars ausmachen würden. Je nachdem soll es dann für einen Beitrag künftig 30 Prozent Exzellenz-Zuschlag und 30 Prozent Exklusiv-Zuschlag geben. Zudem würden der Online-Zuschlag in Höhe von 4,5 Prozent eingepreist, der Eigenproduktionszuschlag erheblich gekürzt und die Wiederholungshonorare eingedampft. Im Gegenzug soll es dafür künftig nur noch Effektivhonorare geben, die bei jeder linearen Erhöhung automatisch mit steigen. Das ist beim WDR bislang oft nicht der Fall, weil die tatsächlich gezahlten Honorare sowieso über dem relativ niedrigen Mindesthonorar liegen. Viele Freie gehen deshalb seit Jahren regelmäßig leer aus, wenn die Gewerkschaften Tariferhöhungen vereinbaren. Das ist auf den ersten Blick ein Erfolg. Doch wenn die Honorare erstmal gekürzt werden, dann sind solche linearen Erhöhungen natürlich nicht viel wert. Zudem bedeutet der Vorschlag des WDR eine Verschiebung von der Honorierung pro Werk hin zu Tages-Pauschalen, in die jede Menge zusätzliche Leistungen hineingepackt werden können.
Kurzum: Ein unannehmbarer Vorschlag, der die freien Mitarbeiter*innen total aufgebracht hat. Besonders hart hat es die Freien in den elf regionalen Außenstudios getroffen, die für die Berichterstattung in NRW zuständig sind. Als Konsequenz musste eine „Sommer-Info-Tour“, die der WDR angeboten hat, ohne Freie auskommen: Sie wollten über den Vorschlag gar nicht erst mit dem WDR diskutieren.
ver.di hat die Sommer-Pause ebenfalls genutzt, aber wesentlich effektiver. Die Verhandler*innen haben eine gar nicht neue, aber sehr bewährte Methode angewendet: das Delegierten-Prinzip. Dabei werden aus den unterschiedlichen Bereichen sogenannte Team-Delegierte gewählt, die dann ihren jeweiligen Bereich im WDR bei den Verhandlungen vertreten. Das hat den Vorteil, dass die Verhandler*innen besser wissen, was vor Ort tatsächlich Sache ist. Und es nimmt Mitglieder und Nicht-Mitglieder beim tarifpolitischen Geschehen unmittelbar mit.
Das Prinzip hat auch im WDR Erfolg. Nach der Sommerpause konnten wir den Sender mit sehr fundiertem Wissen über die tatsächliche Beschäftigung und Honorierung von Freien überraschen. Denn dank einiger Delegierten-Treffen wussten wir zum Beispiel, dass ausgerechnet die Freien in den Online-Redaktionen im neuen Honorarrahmen mit ihren vielfältigen, wechselnden Tätigkeiten gar nicht erfasst werden. Das ist besonders bemerkenswert, weil ja gerade für diese Mitarbeiter*innen der neue Honorarahmen modernisiert werden sollte. Ohne die Informationen von der Basis hätte die ver.di-Verhandlungskommission längst nicht so gut begründet argumentieren können. Das hat immerhin dazu geführt, dass der Sender bis zur nächsten Runde noch einmal in sich gehen will: Die Exklusiv- und Exzellenz-Zuschläge stehen auf dem Prüfstand. Auch die Zuschläge für Eigenproduktion und die Online-Veröffentlichung sollen nicht mehr einfach weggekürzt oder eingepreist werden. Beim Online-Zuschlag wäre das ohnehin schwierig geworden, weil der auf einem bundesweit verhandelten Urhebervertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk basiert.
Es bleibt abzuwarten, was aus den schwierigen Tarifverhandlungen wird. Fest steht, dass uns das Delegierten-Prinzip erheblich geholfen hat, einen wirklich unannehmbaren Vorschlag des Arbeitgebers abzuwenden.