Sozialtarifpaket für DuMont-Beschäftigte

Noch werben "Berliner Zeitung" und "Berliner Kurier" am Alexanderplatz, doch DuMont hat die Ampel hier längst auf Rot gestellt. Foto: Christian von Polentz

Nach einem 16stündigen abschließenden Verhandlungsmarathon wurde am 19. Januar 2017 für die Beschäftigten von Berliner Verlag und zahlreichen DuMont-Tochtergesellschaften Einigung über Sozialplanregelungen erzielt. Betriebsrat und Gewerkschaften verhandelten mit den Gesellschaften, um Nachteile für Beschäftigte zu mindern, die in der Hauptstadt von Kündigungen bedroht sind.

Eine angekündigte gemeinsame Erklärung der Vertragsparteien blieb zwei Tage lang aus, die Geschäftsleitung zog nicht mit. So informierte zumindest der Betriebsrat, schrieb von „konstruktiven Verhandlungen“ und dem Ergebnis: „Der Sozialplan und eine deutlich über ihn hinausgehende Freiwillige Betriebsvereinbarung sind parafiert und sollen kurzfristig unterschrieben werden.“

Der Sozialplan, auf den man sich mit der Berliner Verlag GmbH, der DuMont Redaktionsgemeinschaft GmbH (ReGe 2) und der Berliner Kurier GmbH in den Nachtstunden des 19. Januar geeinigt hat, gilt für Betroffene „betriebsändernder Maßnahmen“. Er sieht Abfindungen, Regelungen zur vorzeitigen Vertragsbeendigung, zum Übergang in eine Transferagentur oder eine Transfergesellschaft mit Qualifizierungsmaßnahmen vor.

Rausschmisse nicht zum Nulltarif

Gemäß dieser Vereinbarung sind Kündigungen am Berliner Alexanderplatz erst Ende Februar zulässig. Abfindungen berechnen sich auf der Basis der Bruttomonatsgehälter (maximal 6200 Euro) multipliziert mit den Faktoren 0,5 und den Jahren der Betriebszugehörigkeit. Die Grundabfindung wird jedoch auf 120.000 Euro begrenzt. Für jedes unterhaltspflichtige Kind gibt es zusätzlich 2500 Euro, auch Schwerbehinderte und Beschäftigte, die zwischen 50 und 61 Jahren alt sind, erhalten Zuschläge. Der sogenannte Arbeitsmarktzuschlag für Ältere wird gestaffelt in einer Höhe zwischen 2000 und 15.000 Euro gezahlt. Sofern Beschäftigte unmittelbar in ein neues Arbeitsverhältnis mit der DuMont Mediengruppe übergehen, erhalten sie keine Abfindung – es sei denn, ihr neues Entgelt liegt mindestens 15 Prozent unter dem bisherigen. Dann wird anteilig abgefunden.

Gekündigte können das Angebot eines Perspektiv-Coachings nutzen und für zwölf Monate befristet in eine Transfergesellschaft übergehen. Dort wird ihnen eine Vergütung von 80 Prozent des vorherigen Nettoentgelts zugesichert. Volontäre können ihre Ausbildung in anderen Redaktionen fortsetzen und werden nicht gekündigt. Sonderregelungen gelten für Auslandskorrespondenten.

Verabredet wurde zudem eine Freiwillige Betriebsvereinbarung, die über die Sozialplanregelungen hinaus Ausscheidensvereinbarungen, gruppenweite Stellenausschreibungen sowie finanzielle Leistungen wie Einigungs- und „Sprinter“-Prämien regelt.

Neustart mit Kahlschlag

Bekanntlich hatte DuMont Ende Oktober 2016 einen „Neustart in der Hauptstadt“ verkündet, der eine weitere drastische Sanierungswelle in Gang setzt. Die bisher eigenständigen Redaktionen von „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ sollen in einer neuen Newsroom GmbH zusammenführt werden. Das bedeutet massiven Personalabbau ohne Sozialauswahl. Schon zuvor waren Verlagsbereiche in kleine und kleinste Gesellschaften ausgegründet worden. Deshalb forderte ver.di Ende November 2016 auch 13 Tochterunternehmen am Berliner DuMont-Standort zu Tarifverhandlungen auf. Während die Arbeitgeberseite Verhandlungen zu einem Überleitungstarifvertrag und über einen gemeinsamen Betriebsrat für den Berliner Verlag, die Berliner Kurier GmbH, die Redaktionsgemeinschaft und Berlin 24 digital GmbH ablehnte, ist über Altersteilzeit noch nicht entscheiden. Am 2. Dezember starteten aber Sozialtarifverhandlungen, die jetzt zur Unterzeichnung eines Eckpunktepapiers für neun Gesellschaften führten. Verhandelt hatten diesen „Kreis 2“ die Gewerkschaften ver.di und DJV. Da der Sozialplan für die Redaktionen – der „Kreis 1“ – ebenfalls den Status eines Sozialtarifvertrages erhalten soll, ist noch die Zustimmung von Gremien wie der Tarifkommissionen erforderlich.

Vorausschauend geregelt

Das „Kreis 2“-Eckpunktepapier für die nicht akut von Veränderungen betroffenen Gesellschaften umfasst eine Mindestabsicherung für die Beschäftigten durch Abfindungsregelungen. Sie sehen eine Formel von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr vor, auch sie sind bei 120.000 Euro gedeckelt. Betroffene können nach Kündigung in eine Transfergesellschaft wechseln und eine Qualifikationsbeihilfe beanspruchen. Ähnliche Regelungen wurden rückwirkend für die sechs bereits im November 2016 gekündigten Vertriebs- und Marketingbeschäftigten der BVZ Berliner Lesermarkt GmbH vereinbart. Bei ihren Abfindungen gibt es Zuschläge für Schwerbehinderte und Beschäftigte mit unterhaltspflichtigen Kindern sowie eine „Einigungsprämie“ bei Abschluss einer Ausscheidensvereinbarung. Auch für diese Sozialtarifregelungen gilt eine Erklärungsfrist bis 10. Februar.

Fast alle sind einbezogen

Renate Gensch, Betriebsratsvorsitzende des Berliner Verlages, schätzt das ausgehandelte Tarifpaket als Erfolg: „Bis auf die Beschäftigten vom Anzeigencallcenter Berliner Medien und von mds creative haben wir für nahezu alle eine Absicherung erreicht. Angesichts der zugespitzten Lage und der komplexen Verhandlungen ist das sehr zufriedenstellend. Nicht alle kleinen Gesellschaften sind überhaupt sozialplanpflichtig. Da hätte sich der Arbeitgeber auch verweigern können.“

ver.di hofft, auch noch eine Lösung für die Mitarbeiter des Callcenters DuMont-Dialog in Berlin zu finden, das zum 1. Januar 2017 an walter-services verkauft wurde. Der neue Eigentümer hat Kooperation zugesagt.

Gänzlich außen vor bleiben bislang allerdings die IT-Beschäftigten von DuMont Systems. Sie wurden in die Einigungsstelle getrieben und der Arbeitgeber weigert sich deshalb, mit ver.di über ihre Sozialtarifabsicherung zu verhandeln.

Kein tariffreier Raum im Newsroom

Für die neugegründete Berliner Newsroom GmbH, die an neuem Standort in Berlin-Kreuzberg schrittweise gerade die Produktion von „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ sowie des Onlineangebots übernehmen soll, laufen Haustarifverhandlungen mit den Gewerkschaften. Sie wurden nach der ersten Runde am 16. Januar allerdings bis Ende März vertagt. Noch sollen etwa 90 von bisher 160 Redakteuren und Angestellten beider Titel nicht wissen, ob sie in der neuen Gesellschaft eingestellt werden. Ziel der Gewerkschaften sei es, so ver.di-Verhandlungsführer Jörg Reichel, dort Regelungen auf dem Niveau des bundesweiten Tarifvertrages für Tageszeitungen zu vereinbaren und alle Beschäftigten tariflich abzusichern.

 

 

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