Ab 1. Mai gelten neue Regeln für die öffentlich-rechtlichen Telemedien – alle Landesparlamente haben dem 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugestimmt. Doch was Politik, Sender und Verlage als gelungenen Kompromiss verkauft haben, ist eine Mogelpackung. Denn für die Sender wird es nicht einfacher im Netz.
Seit Jahren streiten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit den Verlagen darüber, was diese im Netz machen dürfen und was nicht. Bekanntestes Beispiel ist die anhaltende gerichtliche Auseinandersetzung um die „Tagesschau“-App. Zu „presseähnlich“ schimpfen die Verleger; der für die App verantwortliche NDR hält dagegen, dass öffentlich-rechtliche Telemedien neben Audio und Video auch Texte umfassen müssen.
Und Recht hat der NDR. Ein modernes öffentlich-rechtliches Internetangebot darf sich natürlich nicht allein auf audiovisuelle Inhalte beschränken. Umso verwunderlicher ist es, dass sich die Senderspitzen im Juni 2018 mit den Verlegern auf einen Kompromiss geeinigt haben, der genau das vorsieht: die Selbstbeschränkung der Öffentlich-Rechtlichen im Netz. ARD, ZDF und Deutschlandradio sollen weitgehend auf Textangebote verzichten, um den Verlagen ihr Geschäftsmodell im Internet nicht streitig zu machen.
Nun kann man sich fragen, ob das Internet wirklich allein nach den Vorstellungen der Verlage funktionieren soll. Oder ob es nicht doch ein berechtigtes Interesse der Beitragszahler*innen, also der Allgemeinheit, gibt, im Netz umfassend informiert zu werden – und zwar in allen gängigen Darstellungsformen, auch Text.
Mit dem 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag jedenfalls wird das umstrittene Verbot der „Presseähnlichkeit“ zementiert. Dabei hätten die Länder bei der Neufassung des Telemedienauftrags einen mutigen Schritt vorangehen und es endlich abschaffen können. Immerhin wurde mit der Streichung der 7-Tage-Regelung und den Lockerungen für Lizenzproduktionen in den Mediatheken ein wichtiger Schritt nach vorn gemacht. Das Festhalten an der „Presseähnlichkeit“ aber konterkariert diese Fortschritte.
Schlichtungsstelle tagt ab 1. Mai anlassbezogen
Mit Inkrafttreten des 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrages wird auch die darin vorgesehene Schlichtungsstelle tätig. Sie soll Streitfälle zwischen Rundfunksendern und Verlagen regeln. Deutschlandradio hat seine Vertreter für die neue Schlichtungsstelle benannt. Wenn ein Internetangebot von Deutschlandradio betroffen ist, werden Intendant Stefan Raue, Programmdirektor Andreas-Peter Weber und Justiziar Markus Höppener an den Schlichtungsgesprächen teilnehmen.
Laut Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) werden sich Präsident Mathias Döpfner und einer seiner vier Stellvertreter in der Schlichtungsstelle engagieren. Hinzu soll ein Vertreter des Verlags kommen, der das fragliche öffentlich-rechtliche Angebot für unzulässig hält.
Die ARD schickt, wenn die betroffen ist, ihren Vorsitzenden Ulrich Wilhelm und dessen Stellvertreterin Karola Wille sowie zusätzlich den Intendanten des Senders, der das von den Verlegern bemängelte ARD-Angebot verantwortet, meldet epd. Das ZDF entsendet bei Bedarf Intendant Thomas Bellut, Justiziar Peter Weber und den Leiter der Hauptredaktion Neue Medien, Eckart Gaddum. (Red.)