Der Wikileaks-Gründer Julian Assange darf nicht in Vergessenheit geraten. Sein Fall müsse wach gehalten werden, appellierte die Prozessbeobachterin Dr. Deepa Govindarajan Driver bei einer Online-Veranstaltung der Initiative Nachrichtenaufklärung (INA) am 14. Januar. Es müsse ständig und überall darüber gesprochen und Solidarität gezeigt werden. Der Prozess gegen Assange müsse noch in diesem Jahr zu Ende gehen, fordert der INA-Vorsitzende Hektor Haarkötter. Dafür brauche es mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Driver ließ das schwer erträgliche Video zum Mord an zwei Reuters-Journalisten im Irak am 12. Juli 2007 durch US-Soldaten aus Kampfhubschraubern abspielen. Reuters-Anfragen an die US-Streitkräfte zu den gewaltsamen Vorfällen blieben unbeantwortet. Wikileaks veröffentlichte 2010 das an Bord der Apache-Hubschrauber aufgenommene Material unter dem Titel „kollateraler Mord“. Damit wurde Wikileaks weltbekannt.
Sind Publizierende gefährdeter als Whistleblower?
Die Universitätsdozentin und Gewerkschafterin Driver, die den Fall Assange im Namen der Vereinigten Europäischen Linken im Europarat beobachtet, erinnerte daran, dass schon kurz nach Veröffentlichung des Videos Chelsea Manning verhaftet wurde. Manning wurde als Angehörige der US-Streitkräfte verdächtigt, Dokumente aus dem Irak und Afghanistan Wikileaks zugespielt zu haben. Doch während die Whistleblowerin 2017 durch US-Präsident Barack Obama begnadigt wurde, stehe Julian Assange im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh unter stärkerem Druck als ein verurteilter Serienmörder, so die Prozessbeobachterin. Aus ihrer Sicht ist der Publizierende gefährlicher als der Whistleblower, vor allem, wenn ersterer in Besitz einer Technologie oder Plattform wie Wikileaks ist. Und während Obama auch wegen Bedenken hinsichtlich der Pressefreiheit davon abgesehen hätte, Assange unter dem „Espionage Act“ anzuklagen, geschah dies mit der Trump-Administration. Hieß es zunächst Hacking von Regierungscomputern, kamen später Spionage und Verschwörung auf Grundlage des Gesetzes aus dem Ersten Weltkrieg dazu. Driver glaubt nicht an einen fairen Prozess.
Ohne Anklage in Einzelhaft
Assange hatte ab 2010 etwa 700.000 vertrauliche Dokumente zu Aktivitäten des US-Militärs im Irak und Afghanistan auf Wikileaks veröffentlicht. Der Wikileaks-Herausgeber, der 2012 in die britische Botschaft von Ecuador geflohen war, sitzt nach dem Entzug des Asyls durch das lateinamerikanische Land 2019 und der Festnahme durch die britische Polizei ohne Anklage in Einzelhaft in Belmarsh. Im Juni 2022 gab die damalige britische Innenministerin Priti Patel grünes Licht für seine Auslieferung an die USA. Gegen den Bescheid hatte Assange im Juli Berufung eingelegt. In den USA drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft.
Mit Blick auf den schlechten Gesundheitszustand von Assange erinnerte INA-Sprecherin Marlene Nunnendorf an die Worte von Günter Wallraff, als Julian Assange im vergangenen Mai mit dem Günter-Wallraff-Preis für kritischen Journalismusund Menschenrechte ausgezeichnet worden war: „Die Zermürbungstaktik durch ewige Verfahren mit immer neuen Ungewissheiten soll seine persönliche wie physische Existenz vernichten. An ihm soll ein Exempel statuiert werden – ein Tod auf Raten!“
Ende vergangenen Jahres hatten sich fünf internationale Medienhäuser an die US-Regierung mit der Aufforderung gewandt, die Strafverfolgung von Assange einzustellen. Aus Sicht von „Spiegel“, „New York Times“, des britischen „Guardian“, der französischen „Le Monde“ und der spanischen „El País“ ist die Pressefreiheit gefährdet. Die Häuser hatten Wikileaks-Dokumente veröffentlicht.
Weltweit setzten sich Parlamentarier*innen für Assange ein, sagte Driver. Aus Deutschland nannte sie unter anderem die Linken-Politiker Andrej Hunko und Sevim Dagdelen. Unterstützung gäbe es auch vom neuen brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva oder aus Mexiko.
Belmarsh Tribunal klagt die USA an
Am 20. Januar um 20 Uhr unserer Zeit können Sie live teilnehmen am Belmarsh Tribunal, um Julian Assange zu unterstützen. Hier geht es zum Tribunal