Streit um die Presseähnlichkeit

Videotext

Bild: ARD/rbb

Nach dem Medienstaatsvertrag sind dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sogenannte presseähnliche Telemedienangebote verboten. In der ARD gibt es nun Kritik an den Plänen der Bundesländer, den öffentlich-rechtlichen Sendern künftig noch weniger Textberichterstattung in ihren Online-Angeboten zu erlauben. Florian Hager, Intendant des Hessischen Rundfunks (HR), sprach in der HR-Rundfunkratssitzung am 13. September von einer „sehr negativen Seite“ der Reformüberlegungen.

„Wir werden sehr stark an einen Sendungsbezug orientiert und dürfen textlich noch einmal deutlich weniger machen“, sagte Hager mit Blick auf die bisherigen Regelungsvorschläge. Das gehe „zentral gegen die Forderung, dass wir auch möglichst junge Menschen mit Informationen erreichen sollen“.

Er persönlich glaube nicht, dass, wenn die Online-Angebote der ARD weniger Text hätten, „auch nur ein Verleger davon profitieren wird“, sagte der HR-Intendant weiter. Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Ulrike Demmer, erklärte am 19. September in der RBB-Rundfunkratssitzung, „aus öffentlich-rechtlicher Perspektive“ sehe man die Reformpläne zur Presseähnlichkeit im Online-Bereich kritisch. Konkreter wurde sie nicht.

Die Pressestellen von ARD und ZDF wollten sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht näher zu den Länderplänen äußern, die die künftige Gestaltung ihrer Internet-Angebote betreffen. Ergänzend verwies die ARD-Pressestelle darauf, die Sender sollen nach dem Willen der Rundfunkkommission der Länder künftig stärker als bisher jüngere Menschen erreichen. Dabei gehe es in besonderem Maße um „Nachrichten als Video, Audio und selbstverständlich auch Text in Online-Angeboten oder sozialen Netzwerken“, so die ARD: „Diese Aufgabe sollte nicht allein ausländischen Tech-Konzernen überlassen bleiben.“ Die ARD arbeite „deshalb konstruktiv an fairen Lösungen mit, die uns helfen, dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und gleichzeitig den legitimen Interessen der Zeitungsverlage Rechnung tragen“.

Wie viel Text ist Presse?

Die Zeitungshäuser liegen schon seit einigen Jahren mit den öffentlich-rechtlichen Sendern im Clinch, vor allem mit ARD-Anstalten. Der Vorwurf der Verlage: Die Sender gestalteten ihre Online-Angebote presseähnlich, also mit zu viel Text. Die Zeitungsverlage sehen sich dadurch wirtschaftlich bedrängt. Anfang Mai schaltete der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) die EU-Kommission ein. Der BDZV reichte dort mit Verweis auf die textlastigen öffentlich-rechtlichen Webangebote eine sogenannte Beihilfebeschwerde ein.

Von den Bundesländern erwartet der BDZV „ein klares, gesetzlich verankertes Signal“, dass „umfassende Textangebote“ nicht Teil des Auftrags der Rundfunkanstalten seien, erklärte der Verband auf Anfrage. Der Medienstaatsvertrag schreibt schon heute vor, dass die öffentlich-rechtlichen Webangebote nicht presseähnlich sein dürfen. Der Schwerpunkt sei grundsätzlich auf Videos und Audios zu legen. Text darf nicht im Vordergrund stehen. Doch es gibt Ausnahmen, etwa für Online-Seiten, auf denen Inhalte aus einer bestimmten Sendung aufbereitet werden. Aus Sicht des BZDV haben diese Regelungen „ihre Schutzwirkung für die Presse verfehlt“.

Die Bundesländer wollen nun die Bestimmungen für die Rundfunkanstalten verschärfen. Dafür haben sich die Zeitungsverlage seit längerem bei der Politik eingesetzt. Künftig sollen die Vorschriften nicht nur für die eigenen Online-Angebote der Anstalten gelten, sondern zusätzlich auch für deren Auftritte auf externen Plattformen. Zentrales Ziel: „Texte sollen eine untergeordnete Rolle spielen und vor allem sendungsbegleitend zulässig sein“, wie es im Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission zum Reformstaatsvertrag über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk heißt. Diese Regelungsvorschläge waren bereits so in den vorherigen Entwürfen enthalten. Es soll auch eine „Aktualitätsklausel“ eingeführt werden. Das heißt, der Sendebezug von Texten soll sich dann auf Sendungen beziehen, die nicht älter als zwei Wochen sein dürfen. Noch gibt es keine finalen Entscheidungen. Bis zum 11. Oktober läuft nun eine Anhörung zu den gesamten Reformplänen. Ende Oktober soll die Staatsvertragsnovelle der Ministerpräsidentenkonferenz zur Verabschiedung vorgelegt werden.

NewsZone-App des Südwestrundfunk

Ungeachtet der Reformpläne bei den Bundesländern geht der Rechtsstreit um die „NewsZone“-App des Südwestrundfunks (SWR) weiter, mit der der SWR 16- bis 25-Jährige mit Nachrichteninhalten erreichen will. 2022 zogen 16 südwestdeutsche Zeitungsverlage, darunter die „Badische Zeitung“ und die „Rheinpfalz“, gegen die App des SWR vor Gericht. Das Eilverfahren endete im Juni 2023 vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart. Das OLG entschied, der SWR darf die App wieder anbieten und hob die gegenteilige Entscheidung des Landgerichts Stuttgart auf.

Inzwischen läuft das Hauptsacheverfahren in der ersten Instanz. Für den 21. Oktober hat das Landgericht Stuttgart dazu eine mündliche Verhandlung angesetzt. Am selben Tag findet dort noch eine zweite Verhandlung zur „NewsZone“-App statt. Dabei geht es um ein neues Eilverfahren, das die Verlage gegen den SWR angestrengt haben, nachdem der Sender seit Ende März 2024 die App wieder anbietet. Zuletzt wollte der SWR erreichen, dass beide Verfahren vor dem Verwaltungsgericht stattfinden. Doch das OLG Stuttgart entschied im Sommer in letzter Instanz anders. Für beide Verfahren sei das Landgericht zuständig.

Die „NewsZone“-App halten die Verlage weiterhin für presseähnlich. Außerdem gibt es ihrer Ansicht nach für das Angebot keine Genehmigung (Drei-Stufen-Test). Der SWR verweist darauf, dass er andere Auffassungen vertrete als die klagenden Verlage. Näher wollte der SWR „aus Respekt vor dem Gericht“ die beiden laufenden Verfahren nicht kommentieren.

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