„Irgendwas mit Medien“ zieht nicht mehr: Redaktionen müssen sich um gute Volos bemühen – Perspektiven bei der IQ-Fachkonferenz
Das Gute vorweg: Die Volontärsausbildung erfreut sich zunehmender Aufmerksamkeit. Ein neuer Ausbildungstarifvertrag steht nach 25 Jahren offenbar kurz vor dem Abschluss. Die Zahl der Ausbildungsbeauftragten, die der Einladung der „Initiative Qualität im Journalismus“ zur Konferenz „Die Besten gewinnen – Frischer Wind im Volontariat“ nach Bonn folgten, war größer als bei der ersten Veranstaltung im vorigen Jahr, das Thema konzentrierter. Rund 70 Bildungsexperten, Ausbilder und Volontäre, diskutierten im Saal der Deutschen Welle über die Perspektiven der Ausbildungsform Volontariat in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen.
Das Schlechte folgt leider auch: Ulrike Kaiser, Sprecherin der Initiative Qualität, hatte 390 Fragebögen ausgewertet, die in verschiedenen Ausbildungseinrichtungen in den Volontärs-Grundkursen etwa der Bayerische Akademie der Presse oder der in Auflösung befindlichen Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage (ABZV) eingesammelt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die oft beschworene Crossmedialität in den Verlagen für Volontärinnen und Volontäre gar nicht so selbstverständlich ist: Nicht mal jede/r zweite hat angekreuzt, dass die multimediale Ausbildung bei ihnen vorhanden sei, viele sehen nur die Lokal- und die Mantelredaktion, ohne in den digitalen Verlagsangeboten journalistischer Art geschult zu werden. Der Beruf sei weiblicher und akademischer geworden, berichtete Kaiser, ein Studienabschluss ist bei 95 Prozent der befragten Volos vorhanden, die im Durchschnitt fast 27 Jahre alt waren.
Insgesamt zeigt die Umfrage die Wünsche der Volontärinnen und Volontäre nach mehr Geld (46 Prozent werden unter Tarif bezahlt) und kürzerer Dauer (einige der Volontariate hatten sogar Laufzeiten von 30 bis 36 Monaten). Bessere Organisation und verbindliche Inhalten werden ebenfalls angemahnt. Zusammengefasst als Forderung: „Ausbildung findet nicht nur dann statt, wenn alle Redaktionen gut besetzt sind.“ Dass dies auch für die Ausbilderinnen und Ausbilder in vielen Häusern ein steter Kampf ist, dass sie sich damit bei Kolleg_innen und Chefs nicht nur beliebt machen, zeigten auch einige der an sechs Tischen organisierten Diskussionen.
Blick auf Datenjournalismus
„Nichts bleibt, wie es ist?!“ fragte Miriam Scharlibbe, Jugendvertreterin im dju-Bundesvorstand und Redakteurin der Neuen Westfälischen, zum Auftakt erfahrene Ausbilder: Gudrun Bayer von den Nürnberger Nachrichten und den ehemaligen Chefredakteur Paul-Josef Raue, der sich in seinem Blog wiederholt zur Journalistenausbildung positioniert. Beide erklärten, gute Noten in Mathematik und oder Kenntnisse der Statistik sähen sie inzwischen mit Blick auf den Datenjournalismus als viel größere Pluspunkte für Bewerber als früher.
Auf die Frage: Welche Ausbildungsinhalte denn wegfallen könnten, wenn so viele neue dazukämen, wie Datenjournalismus oder Social Media, gab es keine Antwort, weder in der Diskussion auf dem Podium noch in den Tischrunden. Die handwerklichen Grundlagen, Pressethik, Presserecht und Selbstreflexion, die Kenntnisse von kommunalen Haushalten etc. seien absolut unverzichtbar. Also immer mehr, aber in derselben Zeit? Die tarifgebundenen Verleger haben für den neuen Tarifvertrag zwar den von einigen lange favorisierten Volontariaten mit 30 oder 36 Monaten abgeschworen, bestehen aber auf einem Modell „24 plus“. Das soll zusätzliche vier Monate ermöglichen, wenn Ausbildungsdefizite bestünden, erklärte Georg Wallraff, Tarif-Verhandlungsführer der Verleger (BDZV). Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju in ver.di), und Kajo Döhring, der Verhandlungsführer des Deutschen Journalistenverbands (DJV), fordern die Grenze bei den bisher gelten 24 Monaten. Das ist der Knoten, den die kommende Verhandlungsrunde um den neuen Ausbildungstarifvertrag lösen soll.
Empfehlung für Ausbildungsmodell
Neu an diesem Tarifvertrag wird auch ein als Empfehlung angehängtes Ausbildungsmodell mit zahlreichen Themenvorschlägen sein, das der BDZV bei seinen Mitgliedern aktiv bewerben will. Trotzdem blieb in dieser Diskussion das Dilemma deutlich zwischen guten Vorgaben und der „Lebenswirklichkeit“ in den Verlagen, die ja auch die befragten Volontäre beklagen. Das soll auch ein Problem beheben, das gerade die kleinen Verlage inzwischen haben: Nachwuchssorgen.
Viele Ausbilderinnen und Ausbilder besonders kleinerer Verlage müssen einen großen Teil der Arbeit für die Ausbildung in ihrer Freizeit leisten oder immer wieder sehr offensiv Freiräume für sich und die Volos einfordern. Für sie war der Austausch mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die zum Teil in stabilen Netzwerken arbeiten, besonders anregend. Ein Vorschlag: Wenn mehrere Verlage einer Region für gemeinsame Seminare mal ihre Konkurrenz vergessen, kann man allen ihren Volos interessante, weil gemeinschaftlich finanzierte Referenten anbieten. Die IQ-Ausbildungskonferenz als Keimzelle für ein bundesweites Ausbildernetz? Mit den Leseranwälten hat ähnliches auch schon mal bei einem IQ-Herbstforum begonnen.
Keine abgeschlossene Trilogie
Nach einem Herbstforum zur „Journalistenausbildung Quo vadis?“ in Berlin und der ersten von zwei Ausbildungskonferenzen in Bonn soll dies aber „keine damit abgeschlossene Trilogie“ sein: Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, darin waren sich die Mitglieder des IQ-Arbeitskreises einig, vor allem als Aufklärungsarbeit in den Verlagen und Redaktionen, wenn es den neuen Volovertrag mit Ausbildungsmodell gebe, so Kaiser. Denn schließlich, so Klaus Meier, Professor für Journalistik in Eichstätt, in seinem Resümee des Tages, zeige „die Ausbildung im Verlag wie in einem Brennglas die Zukunftsstrategie des Unternehmens.“
Die Ergebnisse der Umfrage im Detail sowie die Zusammenfassungen der Tischdiskussionen werden in Kürze als Dokumentation bei IQ zugänglich sein.