Arg strapaziert derzeit: das Wort Krise. Mitunter auch überstrapaziert! Nämlich dann, wenn Aufgeregtheit und Undifferenziertheit anstatt Sachlichkeit und Analyse die Berichterstattung bestimmen! Wenn wir Wirtschaftjournalisten kritisieren, die nur durch die Börsenbrille sehen. Dann sollten sich Medienbeschäftigte dieser Tage auch nicht als „Kapitalversteher“ profilieren, sondern Ursache und Wirkung auseinanderhalten. Die Schwindsucht des Geldbeutels der Arbeitnehmer steht in keinem Verhältnis zur steigenden Arbeitsleistung. Reallohnverluste auch in der Medienbranche haben wir seit Jahren, die Finanzkrise erst seit wenigen Wochen!
Nun sprechen Medienexperten auch in Deutschland von einer neuen Zeitungskrise. Der Blick auf die zahlreichen Brandherde in deutschen Medienhäusern sollte dabei kritisch sein. Bei der WAZ sind 300 Arbeitsplätze bei den vier Zeitungstiteln im Ruhrgebiet im Visier der Rotstifthalter. Für „Synergieeffekte“ sollen Redaktionen geschlossen werden, Titel kooperieren. Ziel ist die Einsparung von 30 Millionen. Ähnlich bewegt sich die Mecom-Gruppe mit Berliner Kurier und der Hamburger Morgenpost derzeit auf Umstrukturierungskurs: Fast alle Ressorts bedienen jeweils städteübergreifend die beiden Blätter. Gruner + Jahr in Hamburg winkt 60 MitarbeiterInnen mit finanziell gespickten Aufhebungsverträgen. Der Vorstand spricht von der „Notwendigkeit das „Portfolio um jene Titel zu bereinigen, die keine Aussicht haben, die Krise zu überstehen. Auch bei DuMont Schauburg (Express, Kölner Stadt-Anzeiger, Frankfurter Rundschau) wird mit Abfindungen gelockt, „freiwillig“ zu gehen.
Aber wie wurden diese Feuer entfacht, durch die Finanzkrise wohl kaum? Schon 2001 bis 2003 hatte eine Zeitungskrise die Pressekonzentration in Deutschland verstärkt. Kleinere Verlage wurden geschluckt oder mussten aufgeben. Lokalausgaben verschwanden. Zusammenlegungen wie der Redaktionen von Welt und Berliner Morgenpost 2002 bei Springer und Outsourcing wie bei der Rhein Zeitung (Koblenz) brachten Extra-Rendite, führten zu Personalabbau und Kostensenkungen. Ein Trend der sich bis heute fortsetzt, lang ist die Liste der Betriebe mit Tarifflucht und Leiharbeit. In den letzten fünf Jahren sank die Zahl der tarifgebundenen RedakteurInnen an Zeitungen um 5,5 Prozent. Derweil stiegen die Umsätze vieler Verlage seit 2002 kontinuierlich an. Die Mehrzahl der Medienunternehmen arbeitet profitabel.
Die Konzerne haben sich in den letzten Jahren neu aufgestellt. Das Medium Internet ist auf dem Vormarsch, Inhalte gehen crossmedial an die Nutzer. Zeitungs- und Rundfunkhäuser verwandeln sich in diversifizierte Medienhäuser. Nicht zuletzt die Lohnzurückhaltung der Beschäftigten in den letzten Jahren beförderte den modernen Medienwandel. Spielräume für ordentliche Tariferhöhungen sind vorhanden. Mit irgendeiner Krise hat das miese Angebot der Verleger in der aktuellen Tarifrunde wenig zu tun.
Karin Wenk,
verantwortliche Redakteurin