Editorial: Zeitgedanken

„Zeit ist Geld“ – salopp dahin gesagt, häufig eine Ausrede, etwas nicht tun zu können oder etwas unbedingt tun zu müssen. Geld als alleiniges Heilmittel, Geld um das sich alles dreht, Antriebskraft der Wirtschaft und des Wohlstandes. Wohl dem der daran Teil haben kann! Arbeitszeit – sie soll wieder länger werden, mehr Stunden, mehr Jahre ginge es nach Unternehmen und Politik.

Auch in den Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften wird es im kommenden Jahr bei den Tarifverhandlungen wieder um den Geldwert der Arbeit gehen. Leiharbeit wird dabei mit im Fokus stehen. Ihre Auswüchse haben auf die Medienbranche übergegriffen und die Tariflandschaft nachhaltig verändert (Interview mit Frank Werneke).
Wenn George Orwell schon in der vorigen Hälfte des letzten Jahrhunderts erkannte: „Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, wir laufen nur eiliger an ihr vorbei.“ So trifft das heute um ein Vielfaches zu. Die weltweite Informationsflut in den Medien und durch sie selbst erzeugt, hat ein unbeschreibliches Ausmaß angenommen – Tendenz steigend. Arbeitsabläufe in den Medienhäusern müssen effektiver gestaltet, multimedialer werden, um das Publikum zu befriedigen. Newsroom, newsdeks, workflow heißen der englischen Sprache entliehene Zauberwörter. Unter Zeitdruck müssen Medienmacher neue technisch-handwerkliche Fertigkeiten erlernen, etwa um einen Pod- oder Vodcast herstellen zu können. Berufsbilder verändern sich.
Hat allein die Ökonomie das Sagen, geht es nur um das Zeitsparen und damit ums Geldmachen, gerät der Mensch möglicherweise in den Hintergrund – Arbeitsverdichtung, unpersönliche, auch zu enge Arbeitsplätze, weniger Zeit für Recherche und damit schlechtere journalistische Qualität sind Risiken. Aber sicher gibt es auch Chancen, die eben darin bestehen die Fähigkeiten einzelner zu nutzen, vielleicht durch Zeitersparnis auf der einen Seite, Zeit für Recherche auf der anderen zu schaffen. In Qualität zu investieren, indem nicht nur Personal abgebaut, sondern auch zusätzlich eingesetzt wird. Die Wege sind verschieden und auch gangbar wie Beispiele auf dem 21. Journalistentag in diesem Jahr zeigten.
Unabdinglich ist, die Arbeitenden, ob fest oder frei, mitzunehmen bei diesem medialen Zeitsprung. Bei Radio Bremen scheint es in diesem Punkt trotz modernstem Outfit noch erheblichen Nachholebedarf zu geben.
Zeit mit gut bezahlter Arbeit verbringen zu können, dafür lohnt es zu streiten. Auch bei Kinos wie CinemaxX, die wieder zu Verhandlungen bereit sind, bei den Filmschaffenden insgesamt oder den Drehbuchautoren. Aber Lebenszeit ist mehr, wie wir wissen, ist Freizeit, Urlaubszeit, Traumzeit … und in diesen Tagen hoffentlich auch Zeit der Besinnung; Zeit, M in Ruhe zu lesen.
Die Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern zeitgefüllte Weihnachtsfeiertage und einen frohen Jahresausklang. Die nächste M erscheint erst wieder als Doppelnummer im Februar 2008. Bis dahin vergeht also leider noch viel Zeit!

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »