Editorial: Ringen um gute Medienarbeit

Für einen Journalismus, der diesen Namen noch verdient, für Zeitungen und Zeitschriften von hoher inhaltlicher und technischer Qualität muss offenbar in Deutschland mehr den je gestritten werden. So war es notwendig, die Binsenweisheit „Qualität kostet!“ auf ein Plakat zu schreiben und auf die Straße zu gehen. Tausende Tageszeitungsredakteure, Verlagsangestellte und Drucker taten das in den vergangenen Wochen während der laufenden Tarifrunden, die – ginge es nach dem Willen der Arbeitgeber – zu weniger Geld für mehr Leistung, zu noch mehr Arbeitsverdichtung aufgrund anhaltender Ausdünnung der Belegschaften und letztlich zu einer Abwertung der Medienberufe führen würden. Ganze Landstriche wie Mecklenburg-Vorpommern wehren sich gegen zunehmende Einfalt anstatt Vielfalt, weil drei Zeitungen quasi zu einer verschmelzen.
Wenn diese M-Ausgabe im Briefkasten liegt, sind die Auseinandersetzungen für den Erhalt der Flächentarif- und für neue Gehaltstarifverträge noch in vollem Gange. In einer gemeinsamen Extra-Ausgabe – ein Novum – werden M und Druck+Papier im Juli darüber berichten. Die nächste reguläre M erscheint dann Anfang September.
Den „Journalismus“ im Boulevard-Blatt Bild nimmt eine aktuelle Untersuchung der Otto-Brenner-Stiftung unter die Lupe. Fazit: Bild sei kein journalistisches Produkt mehr, sondern zu einer emotional aufputschenden Marketingmaschine verkommen, so die Verfasser Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz. Und weiter: Sie sei ein politischer Machtfaktor ohne demokratische Legitimität! Wie Bild Stimmung und Politik macht, wird anhand der Berichterstattung über die Griechenland- und Eurokrise belegt. Da verwundert es dann schon gewaltig, dass die Johanna-Quandt-Stiftung eben jene Serie, die die Griechen oberflächlich als Lügner und Betrüger abstempelt, mit dem Medienpreis für „exzellenten Wirtschaftsjournalismus“ auszeichnet. Zu hoffen ist, dass auch dieser Prämierungsfall die Diskussion über journalistische Standards beflügelt, die dieser Tage bereits durch die Erkennung und Aberkennung des Henry-Nannen-Preises für die beste Reportage entfacht worden ist. Der Autor, des im Spiegel veröffentlichten Beitrags „Das Stellwerk“ über Horst Seehofer, hatte den Leser glauben machen wollen, er sei vor Ort gewesen und beschreibe aus eigenem Erleben. Ganz die Wahrheit war das nicht!
Die journalistische Aufgabe wahrheitsgemäß zu berichten und aufzudecken was nicht sichtbar sein soll, erfordert einen kritischen distanzierten Blick zur Politik und einen fachlichen Überblick. Umso dringlicher in Zeiten eines wachsenden Wirtschafts-Lobbyismus, bei dem viel Geld in die Hand genommen wird, um Politik und öffentliche Meinung zu beeinflussen wie es die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tut. (M berichtete 10/2008, 8–9/2009) Eine der neusten Kampagnen der INSM unter dem eindrucksvollen Motto „Subventionen sind Gift“ greift den jährlichen Bundeszuschuss zur Künstlersozialkasse, die Steuerbefreiung für Zuschläge der Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit und die Filmförderung an.

Weitere aktuelle Beiträge

Smart-Genossenschaft für Selbstständige

Smart klingt nicht nur schlau, sondern ist es auch. Die solidarökonomische Genossenschaft mit Sitz in Berlin hat seit ihrer Gründung im Jahr 2015 vielen selbstständig Tätigen eine bessere und stärkere soziale Absicherung verschafft – genau der Bereich, der bei aller Flexibilität und Selbstbestimmtheit, die das selbstständige Arbeiten mit sich bringt, viel zu oft hinten runterfällt.
mehr »

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »

Beim Tatort selbst ermitteln

Ein Zocker sei er nicht. So sagte es Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), als er im August vorigen Jahres auf der Gamescom in Köln zu Gast war. Am ARD-Stand hat sich der damalige Vorsitzende des Senderverbunds dennoch zum Zocken eingefunden, zu sehen auch im Stream auf der Gaming-Plattform Twitch. Erstmals hatte die ARD einen eigenen Auftritt auf der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele – ein deutliches Signal, dass die ARD auch auf Games setzt. Und das hat maßgeblich mit dem SWR zu tun.
mehr »

Die unendliche Krise des RBB

Der Schock sitzt nach wie vor tief. „2025 wird ein Schicksalsjahr für den RBB“, so die unfrohe Botschaft von Intendantin Ulrike Demmer Ende Januar auf einer Informationsveranstaltung vor der fassungslosen Belegschaft. Was folgte, war ein radikales Sanierungsprogramm für den Sender. Insgesamt 22 Millionen Euro will die Geschäftsleitung am Personal- und Honoraretat einsparen. Das entspricht 10,2 Prozent der bisherigen Aufwendungen und ziemlich genau 254 Vollzeitstellen.
mehr »