Im Streit um eine Formulierung in einem Beitrag von „M Menschen Machen Medien“ hat ver.di heute vor dem Berliner Kammergericht gegen Georg Friedrich Prinz von Preußen gewonnen. Eine andere Entscheidung, so die Vorsitzende Richterin des 10. Zivilsenats, würde „die Pressefreiheit in unzulässiger Weise beschneiden“.
In dem Beitrag vom 10. Juli 2020 ging es um Einschüchterungsklagen gegen Journalist*innen, die weltweit zunehmen. Eine Praxis, die auch als SLAPP bekannt ist. Das aktuelle juristische Vorgehen der Hohenzollern gegen unliebsame Berichterstattungen im Zusammenhang mit deren Entschädigungsforderungen wurde als Beispiel genannt.
ver.di hat sich damit in dem Berufungsverfahren (AZ: 10 U 5/21) erfolgreich gegen eine vom Landgericht (LG) Berlin im August 2020 erlassene und im November 2020 bestätigte Einstweilige Verfügung gewehrt. Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Monique Hofmann, begrüßt das Urteil als überfällige Klarstellung, dass die „royalen Rechtsattacken einen Angriff auf die Pressefreiheit darstellen“. „Das massive juristische Vorgehen gegen Journalist*innen durch Prinz von Preußen ist der Versuch, die öffentliche Debatte über die Familie der Hohenzollern zu ersticken. Dem hat das Gericht nun einen ersten Riegel vorgeschoben“, zeigt sich Hofmann erfreut. „Wir hoffen, dass diese Entscheidung anderen Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls von der Abmahn- und Klagepraxis der Hohenzollern betroffen sind, Mut macht, sich dagegen zur Wehr zu setzen – auch mit Unterstützung ihrer Gewerkschaft“, so Hofmann.
Für Lars Hansen, den Autoren des M-Beitrags, war „das der erwartete Sieg der Pressefreiheit“. „Alles andere hätte mich am Rechtssystem zweifeln lassen. Besonders hat mich gefreut, mit welcher höflichen Eindeutigkeit die Vorsitzende Richterin dem Gegenanwalt die große Wertigkeit der Pressefreiheit erklärt hat“, sagte Hansen nach der Urteilsverkündung im Gericht. Die Hohenzollern haben sowohl gegen ver.di als auch gegen, den Journalisten geklagt.
Konkret ging es im Artikel „SLAPP: Pressefreiheit unter pressure“ um den Satz, Prinz von Preußen habe sich als „besonders klagefreudig erwiesen, was die wissenschaftliche und mediale Aufarbeitung der Geschichte seiner Familie angeht“. Vor Gericht wurde vom Prinzen-Anwalt über den Begriff „klagefreudig“ fabuliert. Juristisch angegriffen wurde die „wissenschaftliche“ Aufarbeitung im inkriminierten Satz. Das könne man nicht als SLAPP verstehen, wo man doch nur zwei Klagen gegen Historiker am Laufen habe. Vor dem Hintergrund der Restitutionsverfahren der Hohenzollern sei das ein „schwerer Vorwurf“.
Das Gericht wies die Kläger mit klaren Worten in die Schranken. Es handele sich hier um eine „zulässige Meinungsäußerung“. Dabei sei, auch nach geltender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, von der Beurteilung des gesamten Satzes und dem Kontext auszugehen. Es handele sich um einen Beitrag, in dem es um SLAPP-Klagen ginge und die Gründung des sogenannten Prinzenfonds, der Beklagten finanzielle und ideelle Unterstützung bieten wolle. Die Historie der Hohenzollern hätte hier nicht im Fokus gestanden und sei auch nicht weiter erörtert worden.
Die Formulierung „mediale und wissenschaftliche Aufarbeitung“ müsse im Zusammenhang als einheitliche und pauschale Aussage gesehen werden. Hier könne man sich nicht das Wort „wissenschaftlich“ herauspicken, das sei nicht vertretbar, so das Gericht. Adressat des Artikels sei kein Fachpublikum, sondern der Durchschnittsleser. Es sei zweifelhaft, dass dieser hier eine detaillierte Unterscheidung zwischen wissenschaftlich und medialer Aufarbeitung mache. Auch die Begrifflichkeit „klagefreudig“ stamme eher aus dem „Alltags-Sprachgebrauch“. Damit sei ein „offensives juristische Vorgehen“ von jemandem beschrieben. In M wurde damit auf die Hohenzollern abgestellt. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es nicht nur um die zwei Klagen gegen Wissenschaftler gehe, sondern derzeit auch mehrere Verfahren gegen verschiedene Medien anhängig seien.
Allein am 19. August verhandelt der 10. Zivilsenat im Stundentakt insgesamt vier Berufungsverfahren gegen Einstweilige Verfügungen der Hohenzollern, mit denen Betroffenen wie M bestimmte Äußerungen verboten werden sollen. Die Einstweiligen Verfügungen waren alle vom Berliner Landgericht erlassen und bestätigt worden, nachdem sich die Angegriffenen zur Wehr gesetzt hatten.
Das Gericht wies den Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen M ab und änderte damit die Entscheidung der Vorinstanz. Ein Termin für das Hauptsacheverfahren vor dem Berliner Landgericht ist bereits Anfang November angesetzt. Ob es dazu kommt, ist offen. Das Kammergericht hat der Gegenseite in der Verhandlung nahegelegt, das Verfahren gegen ver.di nicht weiter zu führen.
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Aktualisierung 2. November 2021
Erfolg auf ganzer Linie
Nachdem das Berufungsverfahren beim Kammergericht Berlin am 19. August 2021 gewonnen worden war, sollte vor dem Berliner Landgericht die Klage am 4. November hauptsächlich verhandelt werden. Nur zwei Tage vor dem Prozesstermin zog der Chef des Hauses Hohenzollern die Klage zurück. Damit hat sich ver.di erfolgreich durchgesetzt.