Die Bedrohung von Journalist*innen hat in Deutschland enorm zugenommen. Vor allem bei Demonstrationen kommt es immer öfter zu gewalttätigen Angriffen. Hetztiraden wabern durchs Netz. Um die Pressefreiheit zu gewährleisten und feste wie freie Journalist*innen zu schützen, hat ein Bündnis von Berufsorganisationen, Mediengewerkschaften und Beratungseinrichtungen Standards entwickelt und einen Schutzkodex für Medienhäuser formuliert.
Der Medienkodex umfasst ein Dutzend praktische Maßnahmen, wie unter anderem feste Ansprechpersonen bei den Arbeitgeber*innen sowie psychologische und juristische Unterstützung der Betroffenen. Für Journalist*innen, die zur Zielscheibe von Hass und Hetze werden, sei die Bedrohung psychisch sehr belastend, erklärten die Initiator*innen heute bei der Vorstellung des Kodex. Häufig machten die Angriffe auch vor Familienmitgliedern nicht Halt. Der Schutzkodex beinhalte daher auch juristische und psychologische Unterstützung für die Familien der Betroffenen. Wenn im Rahmen von Berichterstattung und Recherche mit körperlichen Angriffen zu rechnen sei, verpflichteten sich die Medienhäuser, Journalist*innen die Begleitung durch Sicherheitspersonal anzubieten. Weitere Punkte des Kodex‘ sind die schnelle Sperrung von Hater*innen-Profilen in sozialen Netzwerken, rechtliche Unterstützung bei Auskunftssperren von Meldeadressen oder die Nachverfolgung juristisch strafbarer Mails und Kommentare.
„Festangestellte, aber vor allem auch freie Journalistinnen und Journalisten müssen sich darauf verlassen können, im Fall von Angriffen die notwendige Unterstützung zu erhalten. Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass Medienschaffende die Berichterstattung über bestimmte Themen aus berechtigter Sorge um ihre Sicherheit meiden und somit blinde Flecken entstehen. Eine zutiefst beunruhigende Entwicklung, der wir Einhalt gebieten müssen. Der Kodex ist dafür ein erster wichtiger Schritt mit Signalwirkung auch nach außen“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Monique Hofmann.
„Zeit Online“ und „Zeit“ setzen bereits sehr viele dieser Kodex-Punkte um. Denn: „Es ist uns sehr wichtig, Kolleg*innen vor Anfeindungen und Bedrohungen zu schützen, die sie im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung erleben, seien sie fest angestellt oder frei für uns tätig“, erklärte Sebastian Horn, stellvertretender Chefredakteur von „Zeit Online“. Sie sind der Initiative beigetreten, um sie bekannt zu machen und ein Zeichen zu setzen“. Der Kodex enthalte klare Vorgaben und stelle eine nützliche Standardisierung solcher Schutzmaßnahmen dar, betonte Horn in der Pressekonferenz.
„Für viele Kolleg*innen – insbesondere Frauen und Journalist*innen of Color – stieg in den vergangenen Jahren der Druck durch Hass und Angriffe. Mit dem Schutzkodex können Medienhäuser mehr Sicherheit geben, signalisieren, dass sie diese Gefahr für die Pressefreiheit ernst nehmen – und dafür sorgen, dass wichtige Stimmen nicht verstummen“, so Thembi Wolf, Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen. Sie berichtete aus eigenem Erleben wie es sich anfühlt, im Netz attackiert zu werden. Der Tag habe dann mit dem Lesen von 20 bis 30 Hassmails begonnen und das Managen des Shitstorms sei mitunter in einen „Nebenjob“ ausgeartet. Hilfreich sei hier ein „Plan“ mit Hinweisen etwa zur Sperrung der Adresse oder dem Umgang mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wie es jetzt im Kodex vorgeschlagen werde.
Franz Zobel, Projektkoordinator der Opferberatung ezra in Thüringen berichtete von konkreten Vorfällen, wie Journalist*innen bedroht, Kameras und Fahrzeuge beschädigt wurden. Anzeigen folge nicht oft eine Gegenanzeige der in der Regel rechtsgesinnten Angreifer – eine Masche, um einzuschüchtern und an die Adressen der Betroffenen Medienleute zu kommen, erzählte er und verwies unter anderem auf einen Fall bei dem vor drei Jahren zwei Journalisten verfolgt und teilweise schwer verletzt worden sind. Trotz vorliegender Zeugenaussagen und Aufnahmen als Beweismittel wurde das Verfahren immer wieder verschleppt. Am Ende musste auch noch Corona als Begründung dafür herhalten. Nun soll der Prozess im September vor dem Landgericht Mühlhausen stattfinden. Obwohl derartiges zögerliches Vorgehen der Behörden immer wieder am Sinn von Anzeigen zweifeln lässt, sollten jegliche Angriffe – auch im Unternehmen – gemeldet, zur Anzeige gebracht und geahndet werden, betonten sowohl Zobel als auch Horn. Wie im Kodex fixiert, sollte das dann mit Unterstützung der Medienhäuser und von Juristen durchgesetzt werden.
Dem Schutzkodex haben sich bereits die dpa, die „taz“, „Zeit“ und „Zeit Online“, der „Spiegel“ und die „Frankfurter Rundschau“ angeschlossen. Medienhäuser, die folgen wollen, können sich an die Mitglieder der Initiative wenden: die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), die Neuen deutsche Medienmacher*innen e.V., Reporter ohne Grenzen e.V. und der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG e.V.).
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