Delegierte des ver.di-Bundesfachbereichs Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung wählten neuen Vorstand für die nächsten vier Jahre
Diskussionsfreude, gegenseitiger Respekt, Wertschätzung, Kritik und vor allem Neugierde, mehr voneinander zu erfahren, Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede auszumachen – all das prägte die erste Konferenz des gemeinsamen ver.di-Bundesfachbereiches Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung in Berlin. Naturgemäß wurde viel gewählt: neue Gremien und Delegierte für den Gewerkschaftsrat und den ver.di-Kongress im September. So gerüstet geht es nun in die nächsten vier Jahre gewerkschaftlichen Miteinanders.
Als „Chef“ des Fachbereiches und damit für den neuen Bundesvorstand von ver.di wurde der „alte“ Fachbereichsleiter Christoph Schmitz mit großer Mehrheit (95,7 %) nominiert. Gewählt wird dann auf dem Gewerkschaftskongress im September in Berlin. Der ehrenamtliche Vorstand des Fachbereiches mit 57 Mitgliedern konnte sich bereits nach seiner Wahl noch am ersten Konferenztag konstituieren und mit dem neuen Vorsitzenden Manfred Kloiber (freier Journalist beim Deutschlandradio und Vorsitzender der Fachgruppe Medien, Journalismus und Film) in die Arbeit starten.
Neue Struktur für gute Gewerkschaftsarbeit
Vor dem „Neustart“ galt es jedoch, auf den Gründungsprozess des Fachbereiches seit 2019 zurückzublicken. Mit einem „wirklich guten Gefühl“ gelang das Manfred Kloiber. Es sei die „richtige Entscheidung“ gewesen, dass die vier Bereiche fusionieren, sagte der bis dato Vorsitzende des Gründungsvorstandes. Eine neue Struktur und ein neuer Zuschnitt der inneren Organisation von ver.di seien erforderlich gewesen, „damit wir eine gute Arbeit in den Betrieben machen und auch in Zukunft kraftvoll zubeißen können, wenn die Arbeitgeber mal wieder auf der Leitung stehen und nicht auf ihre Leute hören wollen“.
Konsequent sei auf ein Ziel hingearbeitet worden: „Nämlich näher an den Mitgliedern und in der Tarifarbeit durchsetzungsstark sein zu können sowie eine branchenbezogene Betreuungsarbeit zu gewährleisten. Unseren Fachgruppen kommt dabei eine neue, zentrale Rolle zu. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt für die branchenpolitische und inhaltlich-fachliche sowie tarifliche Arbeit. Der neue, große Fachbereich ist die Klammer dafür.“ Damit sei der Fachbereich auch gut aufgestellt, um übergeordnete Themen wie Digitalisierung, Energiepolitik, Medien oder Diversität im Branchenkontext zu bearbeiten.
Kloiber verwies auf den enormen Mitgliederzuwachs in diesem Frühjahr, der natürlich auch der Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst beim Bund und den Kommunen geschuldet sei – ein Tarifstreit, der zeige, „wie stark wir sind“. Und obwohl dadurch auch im eigenen Fachbereich Tausende Eintritte zu verzeichnen seien, treffe das nicht für alle Branchen zu. Teilweise gebe es auch große Mitgliederverluste. Die Konferenz verstehe er deshalb als Startpunkt, um in den Betrieben und Branchen sichtbarer zu werden und eine breitere Basis zu schaffen.
Energiekostenzuschuss für Bankbeschäftigte
„Mit Beharrlichkeit und Stehvermögen“ hätten die Kolleg*innen der Finanzdienstleistungsbranche in den vergangenen vier Jahren Tarifverträge durchgesetzt und gezeigt, dass es auch mal länger dauern kann. Dafür sei mehr Beteiligung und mehr Öffentlichkeitsarbeit organisiert worden. Das habe zu guten Ergebnissen geführt und die Anerkennung von ver.di in den Betrieben gesteigert, berichtete Bernd Rose aus den Fachgruppen Finanzdienstleistungen. Als Beispiel für gefragte Innovation und Ideen nannte er das „Energiegeld“. Um die finanzielle Belastung der Beschäftigten in der Branche aufgrund der Preissteigerungen abzumildern, fordert ver.di deshalb seit vergangenem September Tarifverträge für einen Energiekostenzuschuss – in der Bankenbranche 1.500 Euro in diesem Jahr und 1.500 Euro im nächsten Jahr, in der Versicherungsbranche 3.000 Euro. In einer Reihe von Banken konnte das umgesetzt werden.
Kernbereich Energie vor großen Herausforderungen
Für die Bundesfachgruppen der Energie-, Abfall- und Wasserwirtschaft konnte Thies Hansen, Betriebsratsvorsitzender Gasnetz Hamburg, auf erkämpfte Erfolge gegen die Tarifflucht in der Abfallwirtschaft verweisen. Die Kampagne „Wasser ist Menschrecht“ bleibt ein Dauerbrenner. Als „Best Practice“ zur Nachahmung für andere Fachgruppen empfahl Hansen die erfolgreichen Auszubildenden-Konferenzen mit jeweils mehr als 200 Teilnehmenden. Die drei Fachgruppen bilden Kernbereiche der Daseinsvorsorge. Dabei steht die Energiewirtschaft bekanntlich derzeit vor großen Herausforderungen: „Zunächst galt es, sozialverträglich aus der Kohle auszusteigen, nun heißt es: zurück auf den Bagger“, so Hansen. Die geradezu paradoxe Situation habe Auswirkungen auf die gewerkschaftliche Betriebsarbeit. Hansen erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das Sondervotum von ver.di-Chef Frank Werneke in der Gas-Wärmekommission zu Energiepreisbremen wegen fehlender sozialer Balance.
Modell für Basishonorare in Kreativwirtschaft
Auf eine Besonderheit im Bereich Medien, Kunst und Industrie verwies Karin Wagner, langjährige Betriebsrätin bei der Märkischen Verlags- und Druckgesellschaft. In diesem Bereich ist eine große Anzahl Kreativer aus Kultur und Medien organisiert, für die es als Selbstständige keine tariflichen Regelungen gibt. Unter Mitwirkung vieler ehrenamtlicher Aktiver konnte ein transparentes Modell für eine faire Entlohnung zur Berechnung von Basishonoraren entwickelt werden. Berechnungsgrundlage sollte der Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes sein. Für Wagner auch mit Blick auf „unseren vielfältigen Fachbereich“ „ein Meilenstein für die Honorierung selbstständiger Arbeit“. Mit einer Vereinbarung ist es ver.di zudem gelungen, die Kreativen von Netflix künftig am Erfolg des Streamingdienstes zu beteiligen, der auch Zuschüsse in die Pensionskasse Rundfunk zahlt. In der Druckindustrie wurde im „Schatten von Tariferfolgen“ auch in der beruflichen Bildung Etliches erreicht. So wurde das Projekt „Social Virtual Learning“ erfolgreich abgeschlossen. Lernende aus der Medientechnologie können dabei Arbeitsprozesse unmittelbar und interaktiv an einer virtuellen Druckmaschine erleben. Ein Highlight für die in ver.di organisierten Journalist*innen ist jedes Jahr der Journalismustag in Berlin. Über 200 Teilnehmende, darunter sehr viele junge Leute, diskutierten in diesem Jahr unter dem Motto. „Bye, bye Bad News“ über „Konstruktiven Journalismus“.
Gewerkschaft begleitet Einführung von KI
Die Mitglieder aus der Informations- und Kommunikationstechnologie haben sich zu einer Fachgruppe zusammengeschlossen. Das diene der Ressourcenschonung, sei aber auch aufgrund des Verschmelzens von Themen und Fragestellungen sinnvoll, berichtete Constantin Greve. Dieser gelungene Prozess sei einher gegangen mit einer Neuausrichtung der Arbeit, bei der mehr Mitgliederorientierung sowie mehr Entscheidungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für die Gewerkschafter*innen im Fokus stehen würden. Ein Highlight der letzten Jahre war die Begleitung der Einführung von KI-Systemen in den Betrieben, zum Beispiel bei IBM und der Telekom.
Mehr Nachwuchskräfte gewinnen
„Gleichberechtigung und gleiche Bezahlung in unseren Branchen sowie der Kampf gegen sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz“, nannte Nicole Seelemann-Wandtke, Vorsitzende Bundesfrauenvorstandes im Fachbereich, als wichtige Themen, die auch künftig auf der Agenda stehen. Dazu gehöre die Gewinnung von mehr weiblichen Nachwuchskräften, etwa mit dem ver.di-Projekt RONJA, das die Frauen im neuen Fachbereich umsetzen wollen.
Joana Stark, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der Jugend, hob hervor, dass es bereits gut gelungen sei, aus allen Fachgruppen Aktive für die neuen Gremien zu finden. Seit 2022 agiert Thomas Bachmann erfolgreich als Jugendsekretär im Fachbereich. Bei der Werbung von jungen Mitgliedern für ver.di soll künftig noch mehr der jährliche Start von Ausbildung und Studium genutzt werden, ebenso wie die Einbeziehung der Ausbildungsbedingungen in Tarifverträge. (Mehr dazu im Bericht über die Frauen-und die Jugend-Delegiertenkonferenzen)
Über Beteiligung und Dialog
ver.di-Bundesvorstandsmitglied und Bundesfachbereichsleiter Christoph Schmitz plädierte in seiner „Bewerbungsrede“ für die Nominierung zum künftigen Bundesvorstand, für mehr Beteiligung und Dialog in der Arbeit mit den Mitgliedern und in der Ansprache von Menschen, die es für ver.di zu gewinnen gilt. „Der Dialog hilft uns auch, Impulse aufzunehmen, um gewerkschaftliche und tarifliche Fragen Guter Arbeit und guter Arbeitsbedingungen wieder intensiver und teilweise neu zu diskutieren. Es lohnt sich, darüber ins Gespräch zu kommen, warum viele Jüngere ihren Beruf nicht als zentralen Lebensinhalt sehen“, sagte Schmitz.
Statt die Haltung der jüngeren Generation als ungerecht gegenüber den Älteren zu finden, „müssen wir alles daransetzen, dass sich niemand kaputt arbeitet – egal ob jung oder älter“. Arbeitszeit sei dabei nur ein Thema. In Alltag gehe es wieder mehr um Belastung, Gesundheit und Krankheitsquoten – oft als Folge eines zunehmenden Arbeits- und Fachkräftemangels. „Es geht um die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, nicht nur für Jüngere in der Elternphase, nicht nur für Menschen mittleren Alters, wenn es um pflegebedürftige Angehörige geht, sondern auch für rentennähere Jahrgänge, für die es darum gehen kann, mit kürzeren Arbeitszeiten gesund in die Rente zu kommen.“
„Bei den Streikkundgebungen der letzten Wochen habe ich unglaublich viele neue junge und jüngere Kolleginnen und Kollegen erlebt, die mutig und selbstbewusst auf den Bühnen von ihrer Arbeitswirklichkeit berichtet haben. Ich habe auch viele ältere Kolleginnen und Kollegen getroffen, die mehr als in den letzten Tarifrunden mit neuer Motivation durch die Energie der Jüngeren angesteckt wurden“, sagte Schmitz.
Die Musik spielt in den Fachgruppen
Auf die konkrete Gewerkschaftsarbeit eingehend, betonte er: „Die Musik spielt in den Fachgruppen.“ Das heißt: Die fachliche und branchenpolitische Arbeit und die konkrete Tarifarbeit finden in den Fachgruppen statt. Sie sind der Ort der Identifikation von Kolleginnen und Kollegen in ver.di.
Bei allen branchenspezifischen Besonderheiten lohne sich ein Blick über die Fachgruppen hinweg. Doch es gebe übergreifende Herausforderungen und Veränderungsprozesse, die alle im Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung treffen. „Das sind die Demografie und der dadurch immer größer werdende Arbeits- und Fachkräftemangel, die Digitalisierung und die damit verbundene Veränderung von Arbeit, Prozessen und Tätigkeiten und die Bekämpfung des Klimawandels, die weit über eine Energiewende hinausgeht.“ Schmitz zeigte sich überzeugt: „Die Vielfalt im Fachbereich ist dann eine Chance, wenn es uns gelingt, aus den unterschiedlichen Erfahrungen, Kompetenzen und Lösungen aus 13 Fachgruppen zu lernen.“
Organisationsgrad in den Betrieben entscheidend
Ein konkreter Arbeitsschwerpunkt für die nächsten Jahre ist die „Weiterentwicklung der kollektiven Betriebs- und Tarifarbeit“. Mit großer Mehrheit verabschiedeten die Delegierten dafür einen Konzeptentwurf, der bis 2024 zur Diskussion steht. In der auf der Konferenz begonnenen Debatte ging es vor allem um den Punkt verbindlicher Absprachen zum gewerkschaftlichen Organisationsgrad in einem Unternehmen, bevor Tarifverhandlungen aufgenommen werden. Als Orientierungswerte werden im Papier zwischen 30 und 50 Prozent vorgeschlagen. Mit Blick auf die unterschiedlichen Bedingungen in den Branchen und Unternehmen gab es hier durchaus Einwände, jedoch mehrheitlich Zustimmung für die Richtung des Weges zu mehr Mitgliederbeteiligung und Durchsetzungskraft in den Betrieben.
133 Anträge lagen den knapp 200 Delegierten zur Beschlussfassung und Weiterleitung an den ver.di-Bundeskongress oder den Bundesvorstand des Fachbereiches vor. Nur ein Teil davon konnte diskutiert werden. Über einige wurde im Block abgestimmt, andere wurden zur Abstimmung in den neuen Vorstand gegeben. Zu den verabschiedeten Anträgen gehört auch der Medienpolitische Leitantrag der Fachgruppe Medien, Journalismus und Film. Die vier Anträge zum Erhalt der redaktionellen Stelle für „M Menschen Machen Medien“ – M Online und das Print-Magazin – wurden zu einem Hauptantrag zusammengefasst, der im Bundesfachbereichsvorstand in seiner Sitzung Ende April behandelt wird.
„Kampforganisation mit Herz“
„Warten auf Frank“, war auch eine Devise dieser Konferenz. Der ver.di-Vorsitzende verhandelte mit Bund und Kommunen über die Tarife für die 2,5 Millionen Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Nach der letzten Nachtsitzung wurden die Verhandlungen als gescheitert erklärt. Die Arbeitgeber haben daraufhin die Schlichtung eingeleitet. Mit wenig Schlaf, aber dennoch aufmunternden und zuversichtlichen Worten im Gepäck sprach Frank Werneke am zweiten Konferenztag zu den Delegierten.
„Wo verorten wir uns?“ in diesen Zeiten des Krieges und des Klimawandels, fragte Werneke. Mit vereinter Kraft, gemeinsam mit den Mitgliedern packe ver.di notwendige Dinge an. „Das tun wir – zumindest meist – strategisch klug, aber immer mit Leidenschaft und sind deshalb die Kampforganisation mit Herz“, so der ver.di-Vorsitzende. Derzeit entscheiden sich viele Menschen für ver.di. Ab Jahresbeginn bis zum 26. März seien es über 73 300 neue Mitglieder, davon über 10 000 in diesem Fachbereich – „ein Grund sich zu freuen, herzlichen Dank dafür“ (inzwischen sind es insgesamt über 80 000, Ergänzung Red.). „Das ist die beste Entwicklung in unserer mehr als 20jährigen Geschichte“, betonte Werneke.
„Supertarifjahr“ mit hundertausenden Streikenden
Entscheidend dafür: die Tarifpolitik. Das Jahr 2023 sei ein „Supertarifjahr“ für ver.di und für diesen Fachbereich mit der privaten Energiewirtschaft und auch „mit meiner eigenen Heimatbranche der Pappe, Papier- und Kunststoffverarbeitenden Industrie“ sowie mit den Auseinandersetzungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Ihr seid voll beteiligt an der Tarifrunde Bund und Kommunen im öffentlichen Dienst und dann auch im Herbst an der Länderrunde“, hob er hervor. Roter Faden im Tarifkampf: Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen mit den Tarifabschlüssen die Chance auf einen gesicherten Lebensunterhalt haben. Dafür gingen die Menschen angesichts der Inflation derzeit auf die Straße. ver.di stehe in sehr harten Tarifauseinandersetzungen, habe jedoch diesen „klaren Kurs“ und bluffe nicht, was spätestens mit dem Streik am 27. März deutlich geworden sei. In der seit Wochen andauernden Tarifkampagne für den öffentlichen Dienst habe es 500 000 Streikteilnehmer*innen gegeben, darunter viele aus dem Fachbereich Finanzdienste, Kommunikation und Technologie, Kultur, Ver- und Entsorgung.
Werneke verwies auf eine Reihe guter Tarifabschlüsse etwa bei der Hamburger Hochbahn oder den Bodenverkehrsdiensten. Mit Blick auf Gesamt-ver.di bewertete Werneke den Abschluss bei der Post AG als „ein realistisches Spiegelbild des derzeitigen Kräfteverhältnisses“. Gegen heftigsten Widerstand, trotz angedrohten Auslagerungen konnten hier letztlich Entgeltsteigerungen zwischen 11 und 16 Prozent erreicht werden. Er verwies auf die Schließungen von Galeria-Kaufhäusern und das derzeitige Ringen um den Erhalt von Arbeitsplätzen und forderte zur Solidarität mit den Kolleg*innen vor Ort auf.
Tarifpolitik neu ausgerichtet
In der Zeit der Pandemie, die auch über gewerkschaftlichem Leben wie Mehltau gelegen habe, waren in ver.di einige Veränderungsprozesse durchzusetzen. „Der wichtigste Prozess von allen: die strategische Neuaufstellung in der Tarifpolitik“. Danach werden Tarifrunden anders als in der Vergangenheit angegangen. Tarifbotschafter*innen sorgten für eine unmittelbare Kommunikation zwischen den Menschen in den Betrieben und der Verhandlungsspitze. Es würden alle Wege genutzt, um in Tarifauseinandersetzungen eine unmittelbare Beteiligung von mehr Mitgliedern zu organisieren und weniger Stellvertreterpolitik zu betreiben.
Ein großer Sprung sei zudem in Social Media gelungen. Hier ist ver.di mit Abstand die reichweiten-stärkste Gewerkschaft, selbst unter NGOs ganz vorn. Der Vorsitzende stellte die Betriebsratsgründung bei TikTok heraus, wo ver.di selbst auch auf der Plattform erfolgreich unterwegs sei.
Vielfältigkeit bis zum „Transformationshurrikan“
Werneke hob das Besondere „an diesem Fachbereich“ hervor, die Vielfältigkeit: „Ihr seid in ver.di so etwas wie der Transformationshurrikan, da ihr in vielen Veränderungsprozessen besonders gefordert seid.“ So beim Klima und der Energie, wo es durch den hochaktuellen Brüsseler Kompromiss „keine ausreichenden Antworten auf die Klimakatastrophe“ gegeben habe. ver.di sei hier mit klaren Kurs in der Energiepolitik unterwegs, angefangen von der Kohlekommission über die Debatten zur Festlegung des Gas- und Wärmepreisdeckels parallel zur Diskussion um den Strompreis. Wichtig seien eine leistungsfähige Energiewirtschaft und gleichzeitig gerechte Preise – mit sozialer Balance.
Im Bankgewerbe konnten laufende Tarifverträge inzwischen mit Zahlungen von Inflationsausgleichsprämien ergänzt werden. Zum Beispiel durch einen Tarifvertrag bei der ING oder auch mit überbetrieblichen Vereinbarungen bei allen großen Geschäftsbanken. Gratulation gab es auch zum Abschluss bei der DB Tochter KEBA mit 16,1 Prozent im Einstieg und dann weitere Gehaltserhöhungen.
Gewerkschaftliche Wurzeln wirken bis heute
Auch in Kultur und Medien seien viele Themen von besonderer Bedeutung. Werneke erinnerte daran, dass der Flächentarifvertrag in diesem Jahr 150 Jahre alt wird. Er wurde 1873 in einer der Wurzeln dieses Fachbereichs – der Druckindustrie – in wochenlangem Arbeitskampf mit Aussperrungen und Kerkerhaft für den Gewerkvorsitzenden erkämpft. Die kämpferische Tradition reiche bis in die Realität der heutigen Medienbranche, wenn es darum gehe, um gute Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Auch das mache diesen Fachbereich aus. Ebenso die tarifliche Entwicklung in der Kinobranche: Bei CinemaxX und Cinestar konnten Tarifverträge mit 10-15 Prozent Lohnerhöhung erreicht werden. „Bei UCI sind wir mit Warnstreiks noch im Tarifkampf.“
Als notwendige Aufgabe dieses Fachbereichs und der gesamten Gewerkschaft bezeichnete Werneke das Vorgehen gegen Angriffe und Drohungen gegen Journalist*innen, sowohl körperliche und verbale Bedrohungen als auch bei „juristischen Finten“. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und unsere Zeitschrift M seien zum Beispiel durch den Prinzen von Hohenzollern ins juristische Fadenkreuz geraten, der unliebsame Berichterstattung verhindern wollte. dju und M haben in letzter Instanz gewonnen. „Ein praktisches Beispiel dafür, dass es lohnt, für die tägliche Medienfreiheit zu kämpfen und sich nicht mir ver.di anzulegen.“ Der Fachbereich habe auch einen Schutzkodex mitgegründet, etwa um Ressourcen gegen Hate Speech im Netz zu bündeln.
Gemeinsame Gestaltungsmöglichkeiten in Europa
Am dritten Konferenztag wurde der Blick auf Europa ausgeweitet. Oliver Röthig (Regionalsekretär der UNI Europa) und Jan-Willem Goudriaan (Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsverbandes für den Öffentlichen Dienst, EPSU) diskutierten mit Christoph Schmitz und den Delegierten zum Thema „Gute Arbeit europäisch gestalten“.
Christoph Schmitz hob die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der Gewerkschaften in europäischen Dachverbänden hervor. Über UNI Europa und EPSU habe man gemeinsame Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten etwa mit Blick auf das europäische Energiesystem der Zukunft oder wenn es um den Einfluss großer Plattformen wie Apple oder chinesischer Telekommunikationsanbieter gehe. Hier gelte es gemeinsam europäische Datenstandards zu sichern und umzusetzen.
Jan-Willem Goudriaan wies auf die gute Zusammenarbeit mit dem DGB und anderen Gewerkschaften hin, als es um die europäische Richtlinie zur Anerkennung von Long-Covid als Berufskrankheit ging, sowie um die Maßnahmepakete für Hilfen und Investitionsgelder, um der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen.
Gesundheits- und Arbeitsschutz seien bei den Gewerkschaften seit Langem auf europäischer Ebene gemeinsam im Fokus, berichtete Oliver Röthig. Wobei noch mehr getan werden müsse, damit „die Dienstleistungsjobs aus dem Schatten kommen“. Verhandelt werde derzeit ein Sozialpartnerabkommen zur Telearbeit, dass in europäisches Recht umgesetzt werden soll. Gemeinsames Ziel sei weiterhin, die Tarifvertragsabdeckung in den europäischen Ländern zu erhöhen. Nationale Aktionspläne seien ein Weg dafür, so Röthig, bis hin zur Tarifbindung bei der öffentlichen Auftragsvergabe.
Im Zusammenhang mit der Gestaltung einer anderen europäischen Wirtschaftspolitik benannte Jan-Willem Goudriaan einige soziale Fortschritte, darunter Gesetze zum Mindestlohn, zur Verringerung der Gender Pay Gap und Regelungen für Plattformarbeitende. Dennoch „liegen noch große Kämpfe vor uns“, da rechtsgerichtete Regierungen in einigen Ländern Gewerkschaftsrechte und erreichte Fortschritte bedrohten.
Solidarität
Kandidatur für den neuen ver.di-Bundesvorstand
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