Editorial: Nicht die Menge machts?

Auf die Frage: Was willst Du künftig tun? antworten nicht wenige junge Leute sehr schnell: „Irgendetwas mit Medien!“ (Titelthema) Genaueres Nachfragen offenbart nicht selten falsche Vorstellungen beispielsweise vom Beruf eines Journalisten. Ein Stück weit ist das verständlich, weil Jungsein diese Unerfahrenheit immanent ist und weil die Medien selbst dieses Bild der Leichtigkeit eines öffentlich interessanten Jobs vermitteln, was ebenso in der Natur der Sache liegt.

Die Faszination der Branche ist also ungebrochen und damit auch der Run auf Ausbildungs- und Studienplätze. Die Hochschulen surfen auf dieser Welle mit der Einrichtung neuer oder veränderter Studiengänge. Sie übertreffen sich dabei häufig in der Kreativität bei Namensgebungen und Kombivarianten kommunikativer Bereiche, mitunter auch solcher die nicht ohne weiteres vermixt gehören wie PR und Journalismus. Die Bezeichnung vieler Studiengänge lässt den Studieninhalt nur erahnen. Reichen Kapazitäten oder Kompetenzen nicht aus, verschwindet ein Studiengang auch wieder. Dazu kommt die derzeitige Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem im gesamten deutschen Hochschulsystem, deren Auswirkungen auf die Ausbildungsqualität noch offen sind. Junge Studienanwärter im Bann der Medienbranche stehen derzeit vor Hunderten Angeboten. Toll! Oder gilt auch hier: Nicht die Menge machts? Was ist mit den Inhalten und der Qualität? Könnte mit mehr Übersichtlich- und Nachhaltigkeit vielleicht Studienabbrüchen vorgebeugt werden?
Die Mühen der Ebene, den Druck der öffentlichen Aufgabe, erleben die Eleven in guten Praktika, in Volontariaten, spätestens mit dem Berufseinstieg. Kritische Spiegelung der eigenen Arbeit ist gefragt, um neben dem Handwerk auch die Inhalte in hoher Qualität, das heißt wahrhaftig und umfassend zu vermitteln. Immer wieder ist der Recherche-Prüfstein anzulegen. Dieser Qualitätsdebatte hat sich die Medienfachgruppe in ver.di verschrieben, sie zieht sich auch in dieser M wie ein roter Faden durch die Beiträge. Mit einer Nachlese über die Berichterstattung zum G8 Gipfel werden neben der fragwürdigen Informationspolitik der Behörden auch die Fehlleistungen von Journalisten unter die Lupe genommen.
Kritik ist ebenso angebracht, wenn Themen ausgeblendet, den Bürgern vorenthalten werden! Und die Behinderung freier Berichterstattung ist leider auch hierzulande immer wieder ein Thema, auch wenn deren Ausmaß in keinem Verhältnis zu den Einschränkungen der Pressefreiheit zum Beispiel im früheren Jugoslawien steht.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »