Kirsten Liese

Raffinierte Mischung aus psychologischer Studie und Thriller

Ein Schloss, noch ein zweites und dann auch noch ein Riegel. Hannah hat sich in ihrer Wohnung geradezu verbarrikadiert. Es ist nicht die einzige Neurose der attraktiven jungen Frau. Obwohl sie selbst einmal Fotografin werden wollte, hat sie eine große Scheu davor, abgelichtet zu werden. Wenn jemand die Kamera auf sie richtet, reagiert sie wütend und vergräbt ihr Gesicht panisch hinter ihren Händen.
mehr »

Prater

Das berühmte Riesenrad ist noch heute ein Wahrzeichen der Stadt. Ansonsten unterscheidet sich der Wiener Prater mit seinen vielen technischen Attraktionen kaum noch von anderen Großstadt-Rummelplätzen. Um 1900 war alles noch beschaulicher. Man kam zum Tanztee oder staunte über Kuriositäten wie den „Mann ohne Unterleib“, Hypnotiseure, die die Schwerkraft aufheben konnten oder Elvira, „unstreitig das schwerste Mädchen, das je gelebt hat“. In Ulrike Ottingers Dokumentation springt man lustvoll durch Raum und Zeit, gelingt der Regisseurin doch ein historisch fundierter, visuell faszinierender und lebendiger Streifzug durch die Kulturgeschichte des ältesten Vergnügungsparks der…
mehr »

Verständnis füreinander und das Gefühl von Fremdheit

Spätsommer irgendwo in der Uckermark. In den Baumwipfeln rauscht es, Wäsche trocknet an der Leine, Kinder baden im See, Mücken spielen im Wiesengrün. Eine Idylle, und doch liegt ein Hauch von Melancholie in der Luft. Starr blickt Anna, die mit ihrem zweiten Mann und ihrem Sohn ein Landhaus im Wald bewohnt, ins Grüne, über all das sinnierend, was einem wohl durch den Kopf gehen mag, wenn man nicht mehr jung ist: Lebensenttäuschungen, Fehlentscheidungen, Alter und Tod. Eine Stimmung, aus der auch ihre erwachsenen Töchter aus erster Ehe, der Schwiegersohn und die Enkel Anna nicht herausreißen werden, die nach und nach zum großen Familientreffen anreisen. „Ferien“, der jüngste…
mehr »

Abstellgleis

Spielplätze für Senioren? Solche Berichte und Initiativen zur Fitness-Steigerung älterer Menschen, mit denen vereinzelte Kommunalpolitiker in Nürnberg oder Berlin auf die demografische Entwicklung reagieren, wie unlängst in der „Frankfurter Rundschau“ nachzulesen, entdeckt man äußerst selten.
mehr »

Enron

„The World’s Greatest Company“ – so nannte sich die amerikanische Firma Enron gern selbst. Der Energie-Konzern mit Sitz im texanischen Houston, der 1985 aus der Fusion zweier Erdgas-Unternehmen hervorging, zählte zu den mächtigsten Unternehmen der Vereinigten Staaten, brachte jedoch nach seinem Sturz 2002 einen der größten Finanzskandale der US- Wirtschaftsgeschichte ans Licht: Enron hatte seinen Erfolg auf konsequente Bilanzmanipulationen, Schulden und falschen Versprechungen gegründet.
mehr »

Schlechter Geschmack

Dass die klassisch-romantische Musik vor allem bei jungen Leuten immer weniger Anklang findet, ist nicht neu. Aber diese Entwicklung nimmt bedenkliche Ausmaße an. Denn während engagierte Autoritäten wie Simon Rattle mit seinen Education-Projekten („Rhythm is it!“) oder Daniel Barenboim mit seinem Berliner Musik-Kindergarten angestrengt gegen die Krise angehen, regen sich neuerdings kontraproduktive Kräfte im Kino: So rangiert unter den Nominierungen für den Deutschen Filmpreis ausgerechnet ein Film ganz oben, der mit seinem schlechten Geschmack geradezu eindrischt auf die deutsche Klassik: „Vier Minuten“, ein Kammerspiel zwischen einer altmodischen Pianistin, die in einem…
mehr »

Eine wunderbare Moritat im Stil Brechtschen Theaters

Eigentlich wollte sie gar nicht als Volksheldin in die Annalen eingehen. Aber manchmal ist es gut, wenn Regisseure an einer Idee festhalten und sich über die Empfindlichkeiten Anderer hinwegsetzen. Denn die heute 77-jährige Anna Walentynowicz, die im Film Agnieszka heißt, ist eine faszinierende Frau.
mehr »

Vitus

„Vitus“ ist ein außergewöhnlicher Junge, der schon als Sechsjähriger pianistische Fähigkeiten entwickelt wie ein kleiner Mozart. – Ein so genanntes Wunderkind, wie es auch die Stargeigerin Anne-Sophie Mutter oder der Weltklasse-Pianist und Dirigent Daniel Barenboim einmal waren. Der Schweizer Filmemacher Fredi M. Murer blickt jedoch hinter die glänzende Fassade eines solch Hochbegabten, dem die Musikwelt staunend zu Füßen liegt. Dabei geht es nicht nur um den Ehrgeiz einer Mutter, die ihr Kind mit mangelndem pädagogischen Einfühlungsvermögen unter Druck setzt, sondern auch um soziale Belastungen: Vitus gerät in eine Isolation, weil die anderen Jungen andere Interessen und…
mehr »

Wie Luft zum Atmen

Trostlose Hochhaussiedlungen, herunter gekommene öffentliche Einrichtungen, Menschen ohne Geld und Arbeit: Die Bilder wirken vertraut, erinnern an ostdeutsche Vorstädte, an Filme der neuen Berliner Schule wie „Die Kinder sind tot“, „Lucy“ oder „Eine fatale Entscheidung“, nur die Stimmung ist weniger gedrückt. Die Gesichter wirken entspannter und fröhlicher, und das hat einen guten Grund: Denn in Georgien, diesem kleinen Land im Kaukasus zwischen Orient und Okzident, das die in Moskau geborene und in Berlin lebende Regisseurin Ruth Olshan bereiste, erstarren die Menschen nicht in Resignation, lassen sich auch nicht von morgens bis abends aus der Konserve mit Musik…
mehr »

Der Kick

Es war ein grausiges Szenario, das sich im Juli 2002 in Potzlow, einem Dorf in der Uckermark ereignete: Zwei Jugendliche, die Brüder Marco und Marcel Schönfeld und ihr Freund Sebastian Fink demütigten und peinigten den 16-jährigen Marinus Schöberl in einem Schweinestall. Über Stunden hinweg schlugen die Skinheads auf ihr Opfer ein, dann zwangen sie es in einen Futtertrog zu beißen. Schließlich sprang Marcel auf Marinus’ Hinterkopf und tötete ihn.
mehr »

Sympathische Denkanstöße um Liebe und Tod

„Hab ich dir doch versprochen, es tut nicht weh“, das flüstert Emma ihren sterbenden Schweinen ins Ohr. Die pummelige Bäuerin redet nicht nur mit ihren Tieren, sie schmust auch mit ihnen und streichelt sie, bevor sie ihnen die Kehle durchtrennt.
mehr »

Diffizilere Antworten auf die Kinderfrage

Bedeutet ein Baby das größte Lebensglück wie Familienministerin von der Leyen stets betont? Henner Wincklers Kammerspiel wirft ein Licht auf die ernüchternde Wirklichkeit. Von wegen glückliche Muter: Die 18-jährige Maggy (Kim Schnitzer) gerät nach einer Schwangerschaft peu à peu in die Isolation. Zwar finden alle ihr Neugeborenes ganz goldig, aber wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen, wird Lucy schnell zum Klotz am Bein. Dabei hebt Henner Wincklers subtiler leiser Film keineswegs nur auf die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ab, sondern vielmehr auf den Zeitgeist der Generation x, die ihre Freizeit lieber in Discos, auf Partys oder in…
mehr »

Staunen über soviel Arroganz und so wenig Würde

Es war im Sommer 2002 im brandenburgischen Potzlow, als sich das Unfassbare ereignete: Drei Jugendliche hatten den schüchternen, zum Stottern neigenden 17-jährigen Marinus einen ganzen Tag lang gefoltert, dann brutal getötet und in einer Jauchegrube verscharrt. Vier Monate lang blieb die Leiche damals spurlos verschwunden, bis Matthias, einer der Täter, sie schließlich ausbuddelte. Schlagzeilen erschütterten das ganze Land.
mehr »

Von Lohndumping und Profitgier

Die Kinobranche beklagte unlängst einen Rückgang der Besucherzahlen. Vielleicht haben sich die Menschen an fiktiven Unterhaltungsfilmen, Stars und Special Effects allmählich satt gesehen, dass sie mehr über das wirkliche Leben erfahren wollen. Der erstaunliche Zuschauer-Boom auf dem  „8. Thessaloniki Documentary“ legt eine solche These nahe. Das noch junge, kleine, engagierte Festival konnte mit einer Vielzahl brisanter politischer Beiträge immerhin doppelt so viele Zuschauer wie im Vorjahr anlocken und avanciert somit immer mehr auch zu einer ersten Adresse für den Dokumentarfilm.
mehr »

Eine andere Liga

Sportlich, selbstbewusst und schlagfertig ist Hayat. Und vielseitig begabt. Als Goldschmiedin steht die junge Deutschtürkin kurz vor der Gesellenprüfung, in ihrer Freizeit spielt sie für ihr Leben gern Fußball und hat sich schon vielfach als guter Torschütze bewährt. Bis sich eines Tages ihr Leben von einen Tag auf den andern radikal ändert.
mehr »

Filmrezension: Lücke im System

Ihr gemeinsamer Plan schien geradezu perfekt: Wenige Tage vor einer Konferenz von Wirtschaftsführern wollten Alex und sein Kumpel Fred in das Informationssystem einer Weltbank einen Virus einschleusen, um den Schweizer Gipfel zu verhindern.
mehr »